Aktuelle Rechtsprechung
Fink + Partner Rechtsanwälte
Aktuelle Rechtsprechung
Hier finden Sie Meldungen über aktuelle Rechtsprechungen zu von uns behandelten Fällen.
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Übt der Nachbar Klavier ist dies keine wesentliche Beeinträchtigung
Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung in Wien. Die darüber liegende Dachgeschoßwohnung gehört dem Beklagten. In dieser Wohnung übte die Tochter des Beklagten rund 6 Stunden pro Tag Klavier.
Der Kläger begehrte, dass dem Beklagten das Üben nur mehr für rund 1,5 Stunden/Tag erlaubt werde. Im Verfahren wurde festgestellt, dass sich der Dauerschallpegel in der Wohnung des Klägers durch das Üben des Beklagten nur geringfügig erhöht (nämlich rund 10 dB über dem festgestellten Umgebungslärm). Dies wurde wahrscheinlich durch einen Sachverständigen gemessen.
Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich nunmehr mit der Frage, ob diese Erhöhung ortsunüblich ist und daher die Ansicht des Klägers stützen kann, verneinte dies jedoch. Das Gericht hielt auch fest, dass das Klavierüben in der Wohnung des Klägers teils gar nicht oder nur unter besonderer Konzentration wahrnehmbar wäre, das gelte insbesondere auch für Sequenzen die schwierig seien oder Fingerübungen. Die Klage wurde daher abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof betonte aber, dass derartige Streitigkeiten über Lärm aus Nachbarwohnungen stets im Einzelfall zu entscheiden sind. Das bedeutet, dass nicht alle Verfahren gleich beurteilt werden können, sondern jeder Sachverhalt gesondert zu betrachten ist. -
ZUM ENTWURF DES STERBEVERFÜGUNGSGESETZES
Der Verfassungsgerichtshof hat im Dezember 2020 mit Wirkung ab 01.01.2022 die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ in § 78 StGB als verfassungswidrig aufgehoben. Damit wird ab diesem Zeitpunkt die Beihilfe zum Suizid nicht mehr unter Strafe gestellt. Die Bundesregierung sieht Handlungsbedarf, die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Hilfen zum Suizid zu regeln und hat dem Parlament diesbezüglich einen Entwurf eines so genannten Sterbeverfügungsgesetzes vorgelegt. Bei einer „Sterbeverfügung“ handelt es sich um eine Willenserklärung, mit der eine sterbewillige Personen ihren dauerhaften freien und selbstbestimmten Entschluss festhält ihr Leben zu beenden.
Der Errichtung einer Sterbeverfügung hat jedenfalls die Aufklärung durch zwei Ärzte voranzugehen, von denen einer eine palliativmedizinische Qualifikation aufweisen muss. Die Ärzte müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen selbstbestimmten Entschluss, ihr Leben zu beenden, gefasst hat.
Sterbeverfügungen können in weiterer Folge nach Zuwarten einer bestimmten Frist errichtet werden, jedoch nur von Notaren bzw. Mitarbeitern von Patientenvertretungen. Auch ist niemand verpflichtet eine solche Sterbeverfügung zu errichten oder zuvor darüber aufzuklären. Neben einem Sterbeverfügungsregister und einer diesbezüglichen Dokumentation regelt der Gesetzesentwurf auch die Ausfolgung eines Präparats für die sterbewillige Person.
Verboten ist es mit einer Hilfeleistung zu werben. Entscheidend ist aber auch, dass die Errichtung einer Sterbeverfügung nicht unbedingt notwendig ist, um straffrei zum Suizid Hilfe zu leisten. Zu bestrafen ist nur derjenige, der einer minderjährigen Person Hilfe leistet sich selbst zu töten oder wenn die Hilfeleistung aus einem verwerflichen Beweggrund erfolgt. Voraussetzung zur Straffreiheit ist auch, dass eine Person ärztlich aufgeklärt ist. Dass eine Sterbeverfügung errichtet wurde, ist allerdings nicht Voraussetzung für die Straflosigkeit.
Mit 01.01.2022 soll das Gesetz in Kraft treten.
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KANN MAN SICH DURCH EINEN GRENZÜBERBAU EIGENTUM VERSCHAFFEN?
Der OGH setzte sich unlängst mit der Frage auseinander, wie es mit dem Eigentumserwerb eines Grenzüberbaus steht. Unter einem solchen Grenzüberbau versteht man ein Bauwerk, das über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück des Nachbarn ragt.
Grundsätzlich ist außerbücherlicher Eigentumserwerb des Bauführers an der Baufläche auch bei einem Grenzüberbau möglich. Voraussetzung für so einen Eigentumserwerb ist einerseits die Redlichkeit (also wenn der Bauführer glauben kann und darf, dass ihm das Recht zusteht) sowie auch, dass der Grundeigentümer die Bauführung nicht untersagt hat, obwohl ihm die Verwendung seines Grundstückes bekannt war. Sollte der Grundeigentümer, sowie näher im Sachverhalt beschrieben, von der Inanspruchnahme aber erst Jahre später erfahren, führt dies nicht zum Verlust des Eigentums.
Sachverhalt der Entscheidung:
Kläger und Beklagter sind Nachbarn. Im Grenzbereich wurden Garagen errichtet, die miteinander verbunden sind, sodass sie von außen wie ein Gebäude wirken.Die Mauer auf der Ostseite der Garage des Beklagten ragt über seine eigene Grundstücksgrenze hinaus, sodass sie mit einer Länge von 7,5 Meter auf das Grundstück des Klägers reicht. Insgesamt beansprucht die Garage 10m2 der Liegenschaft des Klägers.
Bevor der Beklagte im Jahr 2007 das Grundstück erwarb, kam es im Jahr 1987 zu einem Hochwasserschaden und dadurch zu einer Zerstörung der Garagen. Aufgrund des Neuaufbaues kam es zu der bestehenden Verschiebung der Mauer in Richtung des Grundstückes des Klägers. Das Grundstück wurde in weiterer Folge sogar in den Grenzkataster aufgenommen, ohne dass der Überbau für die Nachbarn erkennbar war und die fehlende Übereinstimmung mit Natur- und Katastergrenze auffiel. Der Überbau war niemandem bekannt.
Erst im Jahre 2007 erkannte der Kläger, dass das Gebäude auf sein Grundstück reicht. 2012 nahm der Kläger eine Vermessung vor, wodurch das Ausmaß des Überbaus bekannt wurde. Der Kläger forderte daraufhin die Entfernung des Überbaus.
Der Oberste Gerichtshof beurteilte das Verhalten des Beklagten bzw. seiner Rechtsvorgänger als unredlich. Wer im Grenzbereich baut, ohne den aus öffentlichen Aufzeichnungen und den Bauplänen ersichtlichen Grenzverlauf vermessen zu lassen, kann sich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht auf Redlichkeit stützen.
Aufgrund des Vorbringens der Rechtsanwälte wurde im Verfahren auch noch die Frage aufgeworfen, ob aufgrund der Geringfügigkeit des Überbaus allenfalls Eigentum erworben werden kann. Immerhin gibt es eine Bestimmung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), wonach bei Verwendung von fremden Materialen zur Ausbesserung einer Sache, dieses Material dem Eigentümer der Hauptsache zufällt (§ 416 ABGB). Allenfalls könnte diese Bestimmung analog hier angewendet werden. Der Oberste Gerichtshof beurteilte die überbaute Fläche aber nicht als geringfügig, sodass ein Anwendungsbereich für diese Bestimmung gar nicht eröffnet wurde.
Zusammenfassung:
Der Oberste Gerichtshof bestätigt in dieser Entscheidung, dass es nicht automatisch zu einem Eigentumserwerb kommt, wenn Teile eines Gebäudes über die Grenze auf ein fremdes Grundstück ragen. Vielmehr ist besonders an die Redlichkeit des Überbauers ein strenger Maßstab anzusetzen. -
UNMÜNDIGE KINDER VOR GERICHT
Kinder werden mit Vollendung des 14. Lebensjahres deliktsfähig, der Gesetzgeber geht davon aus, dass Kinder vor Erreichen dieses Lebensalter nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden können. Das bedeutet, dass Kinder ab dem Erreichen des 14. Lebensjahres für Schäden, die sie schuldhaft und rechtswidrig verursachen, haftbar gemacht werden können. Eine Haftung für Kinder unter 14 Jahren kann nur in bestimmten Ausnahmefällen angenommen werden, wenn der Schädiger im Einzelfall in der Lage ist, das Unrecht der Tat einzusehen, wenn ein Vermögensvergleich den Ersatz gerechtfertigt erscheinen lässt (sohin wenn es eine Haftpflichtversicherung gibt) oder wenn der Schädigte aus Rücksicht auf den Schädiger die Verteidigung unterlässt.
Der OGH setzte sich unlängst mit der Frage auseinander, ob von einem unmündigen Kind bei Verletzung eines anderen Unmündigen Schadenersatz gefordert werden kann:
Sachverhalt:
Der Beklagte war zum Tatzeitpunkt achteinhalb und der Kläger neuneinhalb Jahre alt. Vier Freunde des Klägers schüchterten den Beklagten mit einem Ast ein, was für diesen eine bedrohliche Situation darstellte. Um sich zu wehren, warf der Beklagte einen Ast in Richtung des Klägers, der dadurch verletzt wurde. Es konnte vom Gericht nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Kläger mit Absicht verletzen wollte.Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes muss einem achteinhalbjährigen Kind klar sein, dass man jemanden verletzen kann, wenn man einen Gegenstand nach der Person wirft. Grundsätzlich bejahten die Richter daher eine Schadenersatzpflicht. Gegenständlich war aber zu berücksichtigen, dass der Beklagte von sowohl Älteren als auch in der Überzahl stehenden Kindern bedroht wurde und der Kläger mit achteinhalb Jahren noch weit von der Deliktsfähigkeit entfernt war. Die Reaktion des deliktsunfähigen Beklagten war für die Richter daher nicht schuldhaft.
Weiters prüfte der Oberste Gerichtshof, ob allenfalls aufgrund einer bestehenden Haftpflichtversicherung eine Haftung des Beklagten eintreten kann. Da aber bereits die Vorgerichte feststellten, dass die Haftpflichtversicherung der Mutter des Beklagten, die Deckung ablehnte, da der Sachverhalt nicht versichert war, schied auch eine solche Haftung aus.
Zusammenfassung:
Der Oberste Gerichtshof bestätigt in dieser Entscheidung die grundsätzliche Haftung auch für Kinder unter 14 Jahren, wenn sie Gegenstände nach anderen werfen und dabei jemanden verletzen. Im konkreten Fall verneinten die Richter die Haftung, da es sich für den Beklagten um eine Ausnahmesituation handelte, in welcher er sich bedroht fühlte. -
KÖNNEN VORHANDENE ARBEITSANWEISUNGEN VON EINER HAFTUNG BEI EINEM UNFALL BEFREIEN?
Nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz haftet jeder, der eine Eisenbahn oder ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen hat und dadurch ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt wurde. Diese Haftung besteht aber dann nicht, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das nicht auf einen Fehler der Eisenbahn oder des Kraftfahrzeuges zurückzuführen ist.
Der OGH setzte sich zuletzt mit der Frage auseinander, ob eine solche Befreiung auch bei Verwendung eines Elektro-Hubstaplers in einem Betrieb angewendet werden kann, wenn entsprechende Arbeitsanweisungen vorliegen.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte lenkte einen Elektro-Hubstapler mit Schrittgeschwindigkeit. Die Klägerin befand sich zu dieser Zeit vor einem Kartoncontainer und stand mit dem Rücken zum Fahrweg. Plötzlich drehte sich die Klägerin um, machte gleichzeitig einen Schritt nach hinten und kam dadurch in den Fahrraum des Hubwagens, sodass sie schwer am Fuß verletzt wurde. Für die Beklagte gab es keine Möglichkeit, die Kollision zu vermeiden.Die Klägerin begehrte nunmehr sowohl von der Beklagten als Lenkerin als auch von der Haftpflichtversicherung Schmerzengeld. Die Haftung wurde abgelehnt, da für die Beklagte der Unfall nicht vermeidbar war. Dass die Klägerin sich umdreht und plötzlich und unvorhergesehen in den Fahrraum des Hubwagens geht, war für die Beklagte als Lenkerin nicht erkennbar.
Auch konnte der Oberste Gerichtshof keinen Sorgfaltsverstoß der Beklagten erkennen, sah diesen aber sehr wohl bei der Klägerin. Im Betrieb waren an diversen Stellen Arbeitsanweisungen angebracht. In diesen war klar darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter auf den Staplerverkehr achten müssen, rechtzeitig ausweichen sollen und sich möglich nicht an unübersichtlichen stellen aufhalten dürfen, weil Stapler nicht immer rasch genug bremsen können. Die Klägerin war bereits seit 13 Jahren im Betrieb tätig und kannte diese Anweisungen. Dennoch hat sie sich nicht entsprechend dieser Anweisungen verhalten. Die Beklagte dagegen lenkte den Stapler nur in Schrittgeschwindigkeit und mit einem an sich ausreichenden Abstand. Die Rückwärtsbewegung war für sie nicht vorhersehbar, sodass für sie auch nicht die Pflicht bestand, das Fahrzeug noch weiter zu verlangsamen oder sogar anzuhalten. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshof würde dies die zumutbaren Sorgfaltsmaßnahmen überspannen.
Zusammenfassung:
Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung bestätigt, dass bei klaren Verhaltensanweisungen an Mitarbeiter eines Betriebs, diese auch im Vertrauen auf die Einhaltung dieser Anweisungen handeln dürfen. Dass ein anderer Mitarbeiter gegen diese Anweisungen verstößt, muss nicht vorhergesehen werden. -
KEIN TRAUERSCHMERZENGELD BEI TOD EINES HAUSTIERES
Viele Menschen besitzen eine ausgeprägte Beziehung zu ihren Haustieren. Mitunter werden die Haustiere auch als vollwertige Familienmitglieder angesehen. Aber was geschieht nun bei einem fremdverschuldeten Tod des geliebten Haustieres. Für den Verlust eines geliebten menschlichen Familienmitglieds wird den Hinterbliebenen ein Trauerschmerzengeld zugesprochen. Aber steht den Hinterbliebenen auch ein Trauerschmerzengeld für den Fall zu, dass diese ein tierisches „Familienmitglied“ verlieren. Mit dieser Frage hat sich der OGH in der Entscheidung 2 Ob 142/20a auseinandergesetzt.
Im vorliegenden Fall wurde der „Familienhund“ der Kläger durch einen vom Beklagten verschuldeten Autounfall getötet. Die Kläger machten jeweils ein Trauerschmerzengeld in der Höhe von 8.000 € geltend. Sie brachten vor, dass der Unfall vom Beklagten grob fahrlässig verursacht wurde. Die Kläger gaben an, dass sie sich um den Hund wie ein Kind gekümmert hätten, besondere Ereignisse wie Geburtstage gefeiert hätten und ihn wie ein Familienmitglied verwöhnt hätten. Daher stehe ihnen wie bei „nahen Angehörigen“ ein Trauerschmerzengeld zu. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und brachte vor, dass Trauerschmerzengeld nur bei der Tötung von nahen Angehörigen zustehe. Die Klage wurde vom Erstgericht und vom Berufungsgericht abgewiesen. Gegen die Abweisung erhoben die Kläger Revision an den OGH.
Der OGH führte zum vorliegenden Fall aus, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Trauerschmerzengeld bei der grob fahrlässigen Tötung von nahen Angehörigen besteht. Dieser Anspruch kann jedoch nicht auf die Tötung eines Haustieres übertragen werden. Nach Ansicht des OGH kann die bloße Trauer um ein Haustier keinen Schmerzengeldanspruch begründen. Begründend führt der OGH dazu aus, dass Tiere nach dem ABGB zwar keine Sachen sind, jedoch die Bestimmungen für Sachen auf diese anwendbar sind, solange keine abweichenden Regelungen bestehen. Es gibt zwar eine solche Bestimmung im ABGB, diese regelt jedoch nur den Ersatz der Heilungskosten eines Haustieres. Mangels abweichender Regelung sind die Bestimmungen über die Sachbeschädigung auf den gegenständlichen Fall anzuwenden. Danach seien ideelle Schäden aufgrund des Todes eines Haustieres nur bei Vorsatz zu ersetzen. Ergänzend führte der OGH aus, dass bei objektiver Betrachtung der Verlust eines Tieres eine dem Tod eines Menschen gleichkommende Trauer so fern liegt, dass eine klare Grenzziehung erforderlich ist.
Folglich wies der OGH die Klage ab und sprach aus, dass Trauerschmerzengeld nur in besonderen Konstellationen, zum Beispiel im Fall der Tierquälerei, in Betracht kommt. Bei bloßer, wenn auch grob fahrlässiger Tötung, steht ein Anspruch auf Trauerschmerzengeld jedoch nicht zu.
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AUSWERTUNG DES HANDYS - WIE WEIT DÜRFEN DIE STRAFVERFOLGUNGSBEHÖRDEN GEHEN?
In jüngster Zeit rücken Sicherstellungen von Smartphones und die daraus in den Medien veröffentlichten Chatprotokolle von Politkern in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Dabei kann sich einem schon einmal die Frage stellen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlungsbehörden das eigene Smartphone sicherstellen können und welche Daten darauf ausgelesen und verwendet werden dürfen.
Für die Sicherstellung eines Smartphones reicht es bereits aus, dass diese aus Beweisgründen erforderlich erscheint, um eine Straftat aufzuklären. Diese Voraussetzung ist ausreichend, damit das Smartphone von der Kriminalpolizei meistens aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft sichergestellt werden darf. Eine solche Sicherstellung kann jeden betreffen, nicht nur den Verdächtigen einer Straftat. So kann auch das Handy eines unbeteiligten Dritten sichergestellt werden, wenn es aus Beweisgründen notwendig ist.
Während der Dritte an der Sicherstellung mitwirken muss und auch verpflichtet ist, dass Handy gegebenenfalls zu entsperren, dürfen der Verdächtige oder Personen, die sich der Aussage entschlagen könnten, nicht dazu gezwungen werden, Passwörter preiszugeben. Der Verdächtige muss sich ja nicht selbst belasten. Aber selbst dann, wenn man sich weigern sollte das Handy zu entsperren, gewinnt man nichts außer Zeit. Denn die Ermittler sind dazu berechtigt, Cracking- oder Spionagesoftware einzusetzen und so an die gesuchten Informationen zu gelangen.
Sodann kommt man schon zum nächsten Problem. Denn auf den meisten Handys befinden sich neben der gesuchten Information, auch eine Fülle an privaten und intimen Daten, welche mit der ursprünglichen Suche nichts gemein haben. Selbst Daten, die nicht einmal auf dem jeweiligen Gerät, sondern extern, zum Beispiel in einer Cloud gespeichert sind, können von der Sicherstellung erfasst sein. Nun könnten sich aber in dieser Informationsflut auch Hinweise auf andere Straftaten befinden. Man spricht dann von sogenannten Zufallsfunden. Auch diese Informationen dürfen von den Ermittlungsbehörden verwendet werden, was jede Sicherstellung für den Betroffen, selbst wenn er nichts mit der ursprünglichen Tat zu tun hat, zu einem gewissen Risiko macht.
Eine Grenze existiert dann doch für die Verwertung der Daten und zwar darf aufgrund einer Sicherstellungsanordnung nicht die laufende Kommunikation überwacht werden. Denn in diesem Fall geht die Sicherstellung in eine Kommunikationsüberwachung über. Eine solche ist jedoch nur erlaubt, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Tat, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist und außerdem ein dringender Tatverdacht vorliegt oder aufgrund gewichtiger Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ausgeforscht werden können. Des Weiteren darf eine Kommunikationsüberwachung nur aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung durchgeführt werden.
Wie kann man sich nun gegen die Sicherstellung des eigenen Handys rechtlich wehren? Wenn die Sicherstellung durch die Kriminalpolizei aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt wird, kann gegen die staatsanwaltschaftliche Anordnung innerhalb von 6 Wochen Einspruch erhoben werden. Die Staatsanwaltschaft kann dem Einspruch innerhalb von 4 Wochen selbst stattgeben oder ihn an das Gericht zur Entscheidung weiterleiten. In Kärnten ist dafür regelmäßig die Staatsanwaltschaft Klagenfurt und das Landesgericht Klagenfurt (in Strafsachen) zuständig.
In dem Fall in dem die Polizei von sich aus, ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft, tätig geworden ist und ein Handy sichergestellt hat, kann der Betroffene binnen 6 Wochen Maßnahmenbeschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht erheben. Das Landesverwaltungsgericht entscheidet dann über die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung und hebt diese auf. In Kärnten ist dafür das Landesverwaltungsgericht Kärnten zuständig. Die Beschwerde oder den Einspruch sollte ein Rechtsanwalt verfassen
Und was ist mit dem Datenschutz? Auch wenn das Grundrecht auf Datenschutz verfassungsrechtlich geschützt ist, darf im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen in dieses Grundrecht eingegriffen werden. Art. 6 DSGVO enthält diesbezüglich einen Rechtfertigungsgrund für die Datenverarbeitung im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt. Daher ist die Verarbeitung der Daten auf dem Smartphone im Zuge der Sicherstellung gerechtfertigt.
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Neueste Entscheidung zur ärztlichen Aufklärungspflicht
(4 Ob 194/20p)
Die ärztliche Aufklärungspflicht ist immer wieder Thema in Arzthaftungsprozessen und gibt es daher hierzu bereits zahlreiche Entscheidungen. Die hier kommentierte Entscheidung befasst sich mit der Frage, wie weit die ärztliche Aufklärungspflicht tatsächlich geht.
Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist grundsätzlich nur insoweit zulässig, als der Patient hierzu seine Einwilligung erteilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist für den Umfang der ärztlichen Aufklärung wesentlich, dass der Patient die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien erfährt, die ihn in die Lage versetzen, die Tragweiter seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken.
Maß und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten wird mitbestimmt von dem Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs in die körperliche Integrität. Der Arzt muss jedoch nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern. Er muss ihn aber, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. Eine solche Verpflichtung besteht gerade bei einem Unterschied im Risiko, den Folgen, vor allem aber in der Erfolgssicherheit und der Schmerzbelastung. Kommt der Arzt seiner Aufklärungsverpflichtung nicht (ausreichend) nach, kann dies eine Haftung des Arztes gegenüber dem Patienten bewirken.
Gegenständlich unterzog sich die Klägerin einer Operation zur Entfernung der Gallenblase durch Knopflochtechnik. Die Klägerin wurde darüber aufgeklärt, dass eine Verletzung benachbarter Organe vorkommen könne und dass diesfalls stärkere Blutungen auftreten könnten, sowie dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Blutung auftritt, bei Einnahme eines Blutverdünnungsmittels erhöht sei. Die Operation wurde sodann lege artis durchgeführt, dennoch kam es bei der Klägerin zu einer Milzblutung, wobei eine solche bei einer Gallenblasenoperation äußerst selten auftritt. Ursächlich dafür sind angeborene oder erworbene Verwachsungen des Bauchfelles und ist das Risiko einer Milzblutung nach einer Gallenblasenoperation ohne Verletzung des Organs während der Operation als verschwindet gering einzuschätzen.
Die Klägerin vermeint jedoch, unzureichend aufgeklärt worden zu sein und begehrte vom beklagten Krankenhaus Schmerzengeld- sowie Behandlungs- und Haushaltskosten.
Die Klage wurde von sämtlichen Instanzen abgewiesen, da diese übereinstimmend die Ansicht vertreten haben, dass die Verletzung der Milz nicht Folge der Operation gewesen sei, weshalb sich auch nicht ein Risiko verwirklicht habe, über das die Klägerin nicht aufgeklärt worden sei.
So sei nach Ansicht des OGH eine Aufklärung über mögliche schädliche Folgen einer Behandlung dann nicht erforderlich, wenn die Schäden nur in äußerst seltenen Fällen auftreten und anzunehmen ist, das sie bei einem verständigen Patienten für seinen Entschluss nicht ernsthaft ins Gewicht fallen. Der OGH gibt in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass würde man nicht nur die Aufklärung über typische Operationsrisiken, deren Wahrscheinlichkeit verschwindend gering ist, sondern jeweils auch Hinweise auf typische Komplikationen bei Verwirklichung solcher Risiken fordern, die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausgedehnt werden würde. Den Patienten müsste sonst oftmals eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihnen eine Einschätzung der Lage gar nicht mehr ermöglicht, sondern vielmehr erschwert werden würde.
Sohin würde gegenständlich ein Hinweis auch auf die – verschwindet geringe – Möglichkeit einer Blutung (ausgerechnet) der Milz die Aufklärungspflicht des Arztes überspannen, zumal nicht anzunehmen ist, dass die Klägerin bei Aufzählung sämtlicher Organe, deren Verletzung durch die Operation entferntest möglich wäre, anstelle der allgemeinen Aufklärung der möglichen Verletzung „benachbarter“ Organe ihren Entschluss in den Behandlungsvertrag einzuwilligen, abgeändert hätte.
Abschließend ist jedoch festzuhalten, dass der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht immer eine Frage des Einzelfalles ist. Sollten Sie daher als Arzt oder aber als Patient mit diesem Thema konfrontiert sein, so beraten wir Sie diesbezüglich gerne und helfen Ihnen, ungerechtfertigte Ansprüche abzuwehren oder berechtigte Ansprüche durchzusetzen.
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UMTRIEBIGE SCHULDNER - WELCHE MÖGLICHKEITEN GIBT ES DAGEGEN VORZUGEHEN
Jemand schuldet Ihnen Geld. Sie erfahren, dass der Schuldner beginnt, seine Vermögenswerte zu verkaufen, um zu verhindern, dass Sie auf diese zugreifen können, um die Schulden einbringlich zu machen. Welche Möglichkeiten haben Sie?
Zunächst gilt zu prüfen, ob Sie bereits ein Urteil erwirken konnten. Wenn ein Gericht bereits festgestellt hat, dass Ihnen Ihr Schuldner einen bestimmten Geldbetrag schuldet, so besteht die Möglichkeit mittels Sicherstellungsexekution vorzugehen, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und vom Schuldner vielleicht bekämpft wurde. Besteht die Gefahr, dass die Einbringung Ihrer Geldforderung durch den Schuldner vereitelt wird, so kann bereits vor Rechtskraft des Urteils die Pfändung von Gegenständen, die Vormerkung von Pfandrechten im Grundbuch oder eine Zwangsverwaltung vom Exekutionsgericht verfügt werden.
Gibt es bereits ein rechtskräftiges Urteil, so können Sie sofort im Wege der Exekution vorgehen und Löhne bis zum Existenzminimum pfänden, Gegenstände oder andere Vermögenswerte pfänden und verwerten lassen. Insbesondere können hier auch Gesellschaftsanteile, Gewerbeberechtigungen, Patent- oder Markenrechte und Ähnliches verpfändet und allenfalls verwertet werden. Im Wege des Exekutionsverfahren haben Sie aber auch die Möglichkeit beispielsweise auf Kaufpreise zuzugreifen und diese zu ihren Gunsten zu pfänden. Liegt beispielsweise bei einer beabsichtigten Liegenschaftsübertragung der Kaufpreis zugunsten des Schuldners noch beim Treuhänder, könnte mittels Exekution dieser Kaufpreis gepfändet werden, sodass Sie diesen zur Abdeckung Ihrer Forderung überwiesen erhalten.
Was machen Sie aber, wenn Sie noch kein Urteil erwirken konnten oder vielleicht auch noch gar keine Klage eingebracht haben? Dann können Sie im Wege einer einstweiligen Verfügung vorgehen. Auch hier müssen Sie gegenüber dem Gericht glaubhaft nachweisen, dass ohne entsprechende gerichtliche Maßnahmen die Einbringung Ihrer Geldforderung erheblich erschwert oder überhaupt vereitelt wird. Bitte beachten Sie, dass hier auch bescheinigt werden muss, dass der Schuldner Handlungen zu setzen beabsichtigt. In diesem Fall ist es daher unbedingt erforderlich, dass Sie so viel Beweise sammeln wie nur möglich (Verkaufsinserate, Zeugenaussagen etc.). Das Gericht kann im Rahmen einer einstweiligen Verfügung Verwertungshandlungen untersagen, kann gerichtliche Belastungs- und Veräußerungsverbote aussprechen und diese beispielsweise auch im Grundbuch ersichtlich machen. Derartige Verbote können sogar Dritten gegenüber, somit auch gegenüber potentiellen Erwerbern, ausgesprochen werden. Bei Verstoß gegen die einstweilige Verfügung können Geldstrafen verhängt werden. Auch kann die Verwahrung von Sachen angeordnet werden.
Auch wenn erst im Nachhinein hervorgekommen ist, dass der Schuldner Vermögenswerte beiseiteschaffte oder verschleuderte, haben Sie die Möglichkeit innerhalb von im Gesetz konkret festgelegten zeitlichen Rahmen diese Rechtsgeschäfte anzufechten. Der Gesetzgeber sah die Möglichkeit vor, dass Gläubiger derartige Rechtsgeschäfte, die zu ihrem Nachteil abgeschlossen wurden, anfechten können. Das Geschäft wird bei wirksamer Anfechtung zugunsten dieses Gläubigers unwirksam und kann wieder auf den verschleuderten oder verschenkten Gegenstand Exekution geführt werden, so als hätte es das Rechtsgeschäft nicht gegeben.
Dieses Recht steht im Übrigen auch dem Masseverwalter zu, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Auch dieser kann Rechtsgeschäfte, die für die Gläubiger benachteiligend waren und die entweder in der Absicht, einen Gläubiger zu begünstigen oder trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (oder wenn die Zahlungsunfähigkeit hätte bekannt sein müssen) abgeschlossen werden, nach Insolvenzeröffnung anfechten.
Schlussendlich darf auch nicht übersehen werden, dass derartige umtriebige Handlungen allenfalls auch einen strafrechtlichen Tatbestand darstellen können. Gemäß § 156 StGB handelt strafbar, wer sein Vermögen oder einen Teil davon verheimlicht, beiseiteschafft, veräußert oder beschädigt oder in irgendeiner Art und Weise sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers vereitelt oder schmälert. Solche Schuldner werden mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Handelt es sich um einen Schaden von mehr als € 300.000,-- beträgt der Strafrahmen bereits ein bis zehn Jahre.
Der Gesetzgeber hat zahlreiche Möglichkeiten geschaffen, um zu verhindern, dass Schuldner ihr Vermögen beiseiteschaffen und den Gläubigern entziehen. Jedenfalls ist es aber immer unbedingte Voraussetzung, dass unverzüglich nach Bekanntwerden eines solchen Umstandes Maßnahmen ergriffen werden. Die Anfechtung von Rechtsgeschäften ist beispielsweise nur innerhalb eines gewissen Zeitrahmens möglich, die einstweilige Verfügung setzt das Vorliegen einer unmittelbar drohenden Gefahr voraus.
Wenn Ihnen daher jemand Geld schuldet und Sie erhalten Kenntnis davon, dass Vermögenswerte verschenkt oder verschleudert werden, so wenden Sie sich bitte ehestmöglich an uns. Wir beraten Sie, welche rechtlichen Möglichkeiten Sie haben und welche Maßnahmen zur Sicherung Ihres Anspruchs zielführend sind.
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HASS IM NETZ - WIE KANN ICH MICH DAGEGEN WEHREN?
Hass und Hetze in sozialen Medien und im Internet sind ein globales gesellschaftspolitisches Phänomen, dessen Relevanz aufgrund des technologischen Wandels der Kommunikationsformen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Dabei richtet sich der Hass nicht nur gegen Gruppen, sondern trifft in vielen Fällen auch Einzelpersonen. Ein wesentlicher Teil der Angriffe beruht auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen oder homophoben Motiven und reicht von Beleidigungen und Beschimpfungen bis hin zu gefährlichen Drohungen, Verhetzung und Cyber-Mobbing. In einer Studie von 2018 hat der Weisse Ring etHeVerbrechensopferhilfe aufgezeigt, dass ein Drittel der befragten Frauen und Mädchen innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Form von Gewalt im Netz, wie beispielsweise Beschimpfungen aufgrund der politischen Weltanschauung, Cyber-Mobbing oder sexuell anzügliche Mitteilungen erfahren hat. In der Altersgruppe der zwischen 15- und 18-jährigen waren es sogar fast zwei Drittel.
Das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz sieht neben straf- und medienrechtlichen Maßnahmen auch Änderungen im Zivil- und Zivilverfahrensrecht vor. So werden im neuen
§ 17a ABGB grundlegende Regelungen zu den Persönlichkeitsrechten eingeführt. So ist beispielsweise der Kern von Persönlichkeitsrechten nicht übertragbar. Wenn eine Einwilligung dazu erfolgen kann, so ist eine solche nur im Rahmen der guten Sitten wirksam. Insbesondere werden die Voraussetzungen für die Eingriffe in Persönlichkeitsrechte nunmehr gesetzlich definiert. Größere Internetplattformen und Hassposter werden stärker in die Pflicht genommen, dass Inhalte in sozialen Netzwerken zu löschen sind. Strafrechtlich wird die fortlaufende Belästigung von Personen in Worten oder durch Bilder in sozialen Medien, aber auch aufgrund von bestimmten, unbefugten Bildaufnahmen unter Strafe gestellt. Die Verfolgung der Täter durch die Gerichte wird erleichtert. Schadenersatzmöglichkeiten nach den rechtlichen Vorschriften werden ausgedehnt.Der neue § 20 ABGB regelt die Unterlassungs- und Beseitigungsklage gegen (drohende) rechtswidrige Eingriffe in ein Persönlichkeitsrecht oder aber auch gegen das Andenken, das Gesamtbild des Lebens und Wirkens eines Verstorbenen. Die diesbezügliche Klage steht in bestimmten Bereichen auch dem Dienstgeber zu, wobei eine solche Klage nicht nur gegen den unmittelbaren Rechtsverletzer (Hassposter) gerichtet werden kann, sondern auch gegen einen sogenannten „Vermittler“. Vermittler sind solche Personen oder Institutionen, die die Verletzung jedenfalls verhindern könnten, dies jedoch nicht getan haben. Vermittler können allerdings erst nach einer Abmahnung, in der der Provider zur Beseitigung und Unterlassung aufgefordert wird, belangt werden.
Ungeachtet medienrechtlicher Entschädigungsansprüche kann man nunmehr auch Schadenersatz gemäß dem neuen § 1328a Abs 2 ABGB von unmittelbaren Tätern fordern.
Neu ist auch die Einführung eines raschen Mandatsverfahren für Unterlassungsansprüche. In diesem Verfahren wird bei einer schlüssigen Darlegung ein Unterlassungsauftrag erlassen, dem vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkannt werden kann. Nur wenn Einspruch erhoben wird, findet ein ordentliches Verfahren statt, wobei hinsichtlich dieses Mandatsverfahrens nur die Unterlassung der Verbreitung im Kommunikationsnetz begehrt werden kann. Es geht dabei eine die Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem elektronischen Kommunikationsmedium. Als tatbestandsmäßig wird vom Gesetzgeber grundloses Verächtlichmachen, die Verwendung von besonders krassen Schimpfwörtern sowie heimlich angefertigte und kompromittierende Lichtbildaufnahmen angesehen.
Es ist immer dann zu einer Klage zu raten, wenn eine Kommunikationsplattform trotz Aufforderung die Mitteilung nicht löscht. Niemand soll sich ohne Rechtsschutz Hasspostings gefallen lassen müssen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und die Erfahrung zeigt, dass in den schlimmsten Fällen nach Hasspostings auch entsprechende Gewalttaten Realität werden. Daher gilt: Lassen Sie sich Hass im Netz nicht gefallen und setzen Sie sich gegen herabwürdigende, beleidigende und falsche Äußerungen zur Wehr. Wir unterstützen und beraten Sie gerne und setzen Ihre Ansprüche vor den Zivil- und Strafgerichten als Opfervertreter durch.
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Polizeigewalt – Was tun?
Die meisten Polizeieinsätze in Österreich verlaufen ohne Zwischenfälle. Aber trotzdem kommt es auch in Österreich immer wieder zu Situationen in denen PolizistInnen die gesetzlichen Grenzen ihrer Amtsgewalt überschreiten und unzulässige Gewalt ausüben. Aber wie können sich Menschen die Opfer von Polizeigewalt werden und damit in ihren Rechten verletzt werden, dagegen wehren?
Voranzustellen ist, dass viele Amtshandlungen auch für die PolizistInnen eine Stresssituation darstellen. Von ihnen wird verlangt, dass sie in einer oft unübersichtlichen Situation rasch und richtig handeln. Erschwerend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren auch der Respekt der Bürger gegenüber den BeamtInnen verlorengegangen ist und die Amtshandlungen oftmals durch unkooperatives Verhalten der Betroffenen behindert werden. Trotzdem darf die Polizei nur ausnahmsweise Gewalt anwenden und zwar nur wenn sie verhältnismäßig, also notwendig und gerechtfertigt ist. Dabei kann es vorkommen, dass die Situation eskaliert und die Polizei unzulässigerweise Gewalt gegenüber BürgerInnen anwendet. Aber wie kann man als BürgerIn reagieren, wenn die Polizei doch einmal ihre gesetzlichen Grenzen
überschreitet?Die Antwort ist, dass man sich zunächst einmal gar nicht gegen die Amtshandlung wehren sollte. Wer sich gegen die Amtshandlung wehrt und dabei auch selbst Gewalt androht oder solche ausübt, indem er zum Beispiel versucht die Polizisten zu treten, macht sich oft selbst strafbar nach §269 StGB und verwirklicht das Delikt des Widerstands gegen die Staatsgewalt. Erst nach der Amtshandlung ist eine gerichtliche Überprüfung des Polizeiverhaltens möglich.
Oft wird danach versucht, die PolizistInnen wegen Körperverletzung anzuzeigen. Eine solche Anzeige ist beschränkt sinnvoll, da die Beweislage oft sehr dürftig ist und das Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt wird. Es gibt aber effektivere Möglichkeiten um das Handeln der Polizei gerichtlich überprüfen zu lassen. Darüber sollte man sich mit einem Rechtsanwalt beraten.
So stehen jedem Betroffenen die Erhebung eines Einspruchs, einer Beschwerde oder einer Maßnahmenbeschwerde offen. Welcher Rechtsbehelf der richtige ist, hängt von dem, der Amtshandlung zugrundeliegenden Verfahren ab. So kann gegen Akte der Kriminalpolizei im Dienste der Strafjustiz, Einspruch oder Beschwerde erhoben werden, je nachdem ob sie auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts tätig wird. Der Einspruch ist innerhalb von 6 Wochen zu erheben. Die Beschwerde muss innerhalb von 2 Wochen erhoben werden. Über diese Rechtsbehelfe entscheiden die ordentlichen Gerichte.
Meistens ist jedoch die Maßnahmenbeschwerde das probate Mittel. Diese kann von jedem, der behauptet durch eine Amtshandlung in seinen Rechten verletzt worden zu sein, erhoben werden. Sie kann dann erhoben werden, wenn die Polizei nicht aufgrund einer staatsanwaltlichen Anordnung oder gerichtlichen Bewilligung tätig wird. Ein Beispiel dafür wären Amtshandlungen im Zuge von Demonstrationen. Die Maßnahmenbeschwerde ist innerhalb von 6 Wochen ab Kenntnis der Amtshandlung oder ab deren Beendigung direkt beim Landesverwaltungsgericht einzubringen. Das Landesverwaltungsgericht entscheidet dann über die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung und hebt diese auf, falls sie noch weiter andauert. Gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts kann der Verwaltungsgerichtshof oder der der Verfassungsgerichtshof angerufen werden. In Kärnten ist dafür das Landesverwaltungsgericht Kärnten mit Sitz in Klagenfurt zuständig.
Aber auch wenn man nicht unmittelbar von polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt betroffen ist, besteht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung die Möglichkeit rechtswidriges Vorgehen der Polizei gerichtlich überprüfen zu lassen. Sogenanntes „schlichtes Polizeihandeln“, das wären zum Beispiel Beschimpfungen durch den Polizeibeamten, ist im Wege einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht überprüfbar. Des Weiteren müssen sich die PolizistInnen auch an die vom Bundesministerium für Inneres erlassenen Richtlinien über das Einschreiten der öffentlichen Sicherheitsdienste, welche sozusagen die Berufspflichten der PolizistInnen enthalten, halten. Bei Verstößen gegen diese Richtlinie besteht die Möglichkeit einer Richtlinienbeschwerde. Diese wird zuerst von der zuständigen Dienstaufsichtsbehörde behandelt. Falls von dieser keine Richtlinienverletzung festgestellt wurde, kann die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts darüber verlangt werden.
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Beugestrafe für Mutter, da das Kind den Vater nicht sehen will
Jüngst hat sich der OGH in der Entscheidung 3 Ob 206/20w damit auseinandergesetzt, ob eine Beugestrafe gegen die Mutter verhängt werden darf, wenn sich das gemeinsame Kind weigert, den Vater zu besuchen.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Die beiden Parteien haben gemeinsam ein Kind. Die Mutter ist die alleine Obsorgeberechtigte und dem Vater wurde ein Kontaktrecht eingeräumt. Das Kind weigerte sich wiederholt sich mit dem Vater zu treffen. Die Weigerung des Kindes den Vater zu besuchen, beruhte vor allem auf der negativen Haltung der Mutter gegenüber dem Vater und auf einer entsprechenden Beeinflussung des Kindes durch die Mutter. Daraufhin wurde über die Mutter eine Beugestrafe von EUR 500,00 verhängt.
Der von der Mutter dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde vom OGH nun zurückgewiesen. Der OGH hat dazu erwogen, dass der obsorgeberechtigte Elternteil dazu verpflichtet ist, jede negative Beeinflussung des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil zu vermeiden. Nach dem OGH muss der Elternteil darüber hinaus auch einer unberechtigten Ablehnung des persönlichen Kontakts zum anderen Elternteil durch das Kind entgegenwirken. Der Elternteil muss aktiv daran mitwirken, dem anderen Elternteil den persönlichen Verkehr mit dem Kind zu ermöglichen. Dies gilt nur nicht, wenn dies aus vom anderen Elternteil zu verantwortenden Gründen nicht möglich ist. Die Beugestrafe wurde daher zu Recht verhängt.
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GESCHÄFTSRAUMMIETEN: ZAHLUNGSPFLICHT TROTZ CORONA (UND LOCKDOWN)?
1. COVID-19 Pandemie und behördliche Schließung von Betrieben und Bildungseinrichtungen:
Gemäß § 1104 ABGB muss ein Mieter keinen Mietzins (samt Betriebs- und Nebenkosten) bezahlen, wenn der Mietgegenstand wegen außerordentlicher Zufälle nicht benutzt werden kann. Exemplarisch angeführt werden dabei neben Feuer und Krieg unter anderem auch Seuchen.
Die COVID-19-Pandemie ist als Viruserkrankung von § 1104 ABGB („Seuche“) umfasst und stellt somit einen außerordentlichen Zufall iSd Bestimmung dar.
Dies hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht in einer aktuellen Entscheidung (LG für ZRS Wien, 39 R 27/21 s) bestätigt und wie folgt begründet: „Im Hinblick darauf, dass die WHO (Weltgesundheitsorganisation, Anm.) von einer Pandemie spricht, ist die Krankheit „COVID-19“ jedenfalls im Hinblick auf die zu ihrer Bekämpfung erlassenen Gesetze und Verordnungen als Seuche im Sinne des § 1104 ABGB anzusehen.“
Dass, wie der Vermieter einwendet, die Pandemie zu keiner Substanzschädigung des Bestandobjekts geführt hat, ist hingegen nicht von Relevanz: „Entscheidend ist, ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv – gemessen am Vertragszweck – beseitigt oder eingeschränkt ist.“
Vereinzelt wird (von der Lehre) eine gegenteilige, vermieterfreundliche Auffassung vertreten: „Unbrauchbar sei ein Mietgegenstand in einer Seuche erst dann, wenn er selbst verseucht sei und – krass formuliert – die Ratten herumliegen. Corona aber habe keinen direkten Objektbezug. Das Übel, das Corona mit sich bringe, treffe die ganze Menschheit wie ein Keulenschlag. Selbst wenn man von einer Seuche ausgehe, müsse man die Risikosphären vernünftig abgrenzen. Nicht jede Folge einer Seuche führe zur Zinsbefreiung. Außerdem: der Lebensmittelhandel zum Beispiel konnte im Lockdown betrieben werden, und dies zeige, dass Bestandobjekte gerade nicht durch eine Seuche unbrauchbar war. Eine rechtliche Benützungsbeschränkung sei schlicht ein Betriebsrisiko. Man denke nur an den umgekehrten Fall: Wenn Geschäfte am 8. Dezember oder sonntags öffnen dürfen, kommt keiner auf die Idee, mehr Miete zu bezahlen.“
Zu denken ist bei fortwährender Dauer des Lockdowns allenfalls auch an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, der zur Aufhebung des Bestandvertrages führen könnte. Zu fragen ist, was die Vertragsteile vereinbart hätten, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geahnt hätten, dass es zu einem Lockdown infolge einer Pandemie kommt.
Gespannt abzuwarten bleibt, wie der OGH als Höchstgericht diese Fragestellung beantworten wird. Bisher wurde noch kein „Corona-Fall“ vom OGH entschieden.
2. Vertragszweck, (zwei) Fallbeispiele mit Argumenten und Gegenargumenten:
2.1
Ob und in welchem Umfang der Gebrauch der Bestandsache eingeschränkt ist, hängt vom Vertragszweck ab. Es muss eine Verwendung möglich sein, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist.
Nur für den Fall, dass der Bestandzweck nicht eindeutig vertraglich festgelegt wurde (zB „branchenfreie“ Vermietung zu Geschäftszwecken), ist die bisher im Objekt zulässig ausgeübte Tätigkeit Beurteilungsmaßstab. (vgl. Lovrek in ZIK 2020/60, 1. Heft 1a vom 27.04.2020).
2.2
In einem Fall, bei dem ich als Rechtsvertreter auf der Mieterseite eingeschritten bin, wurde vertraglich ausdrücklich festgelegt, dass der Vertragszweck der Betrieb einer Wohngalerie (= Möbelhandel und Handel mit Wohnaccessoires) ist.
Durch eine Verordnung (BGBl II 96/2020) wurde das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen untersagt. Der Betrieb der Wohngalerie war sohin infolge dieser Verordnung nicht möglich und war uns somit auch die Erfüllung des Vertragszweckes nicht möglich.
Der Vermieter war der Ansicht, dass die Warenlagerung bei der Prüfung, ob eine Mietzinsbefreiung vorliegt, zu berücksichtigen sei, da diese typischerweise als Betriebszweck eines Verkaufslokal erforderlich wäre. Dem war zu entgegnen, dass fallkonkret keine solche Prüfung vorzunehmen ist, da vorrangig auf den Vertragszweck abzustellen ist. Dieser sieht allerdings „Geschäftszwecke konkret zum Betrieb einer Wohngalerie“ vor und sind Lagermöglichkeiten nicht ausdrücklich genannt.Die Intention einer Wohngalerie ist die Veräußerung von Waren und damit im Zusammenhang stehend auch die Beratung von Kunden.
Dass das Bestandobjekt allenfalls auch als Lager und für einen umfangreichen Onlineverkauf (?) genutzt werden hätte können, ist unbeachtlich. Mit der bisher zulässig im Bestandobjekt ausgeübten Tätigkeit „Möbelhandel und Handel mit Wohnaccessoires“ ist diese Art der Nutzung nicht in Einklang zu bringen.
Aufgrund der COVID-19-Pandemie und den verordneten Betriebsschließungen war naturgemäß weder eine Beratung der Kunden noch der Verkauf von Waren (Einrichtungsgegenständen) im Bestandobjekt möglich.
2.3
In einem anderen Fall war eine branchenfreie“ Vermietung zu Geschäftszwecken vereinbart, der Mietgegenstand wurde aber mit Zustimmung des Vermieters seit jeher zur Abhaltung von Schulungen, Kursen und Seminaren genutzt.
In der Zeit von 16.03.2020 bis 31.05.2020 war eine Ausübung dieser bis dahin ausgeübten Tätigkeit infolge der Verordnung des Gesundheitsministers nicht möglich. Schulen und Bildungseinrichtungen waren im fraglichen Zeitraum ebenfalls geschlossen; somit war auch die Erfüllung des Vertragszweckes unmöglich.
Dass eine andere Möglichkeit der Nutzung vorliegt, ist bei der Prüfung, ob eine Mietzinsbefreiung vorzunehmen ist, nicht zu berücksichtigen, da vorrangig auf die bisher im Mietobjekt zulässig ausgeübte Tätigkeit abzustellen ist. Und diese ausgeübte Tätigkeit besteht im „Betrieb von Kursen“ und der „Abhaltung von Seminaren in den Schulungsräumen“.
Damit gehen auch (besonders kreative) Behauptungen des Vermieters, die Mieterin hätte die Bestandräumlichkeiten an Behörden, private Gesundheits-Einsatzzentralen(?), Lebensmittel-Verteilungszentren, etc. untervermieten können, ins Leere.
3. Umfang des Befreiungstatbestandes:
Der Befreiungstatbestand des § 1104 ABGB umfasst alle Bestandteile des Bestandzinses, somit auch sämtliche Betriebskosten (vgl. OGH 22.11.2005, 1 Ob 177/05 v; 29.03.2004, 5 Ob 60/04 s).
4. Auswirkungen auf ein Räumungsbegehren:
Soweit ein betroffener Geschäftsraummieter den Mietzins (samt Betriebs- und Nebenkosten) während eines Lockdowns unter Berufung auf den Befreiungstatbestand gemäß § 1104 ABGB nicht bezahlt, wird ihm auch kein für die erfolgreiche Durchsetzung eines Räumungsbegehrens notwendiges schweres Verschulden am Anerlaufen eines Mietzinsrückstandes anzulasten bzw. nachzuweisen sein.
5. Verhältnis § 1104 ABGB und Fixkostenzuschuss:
In der Praxis ist die Tendenz zu erkennen, dass viele Vermieter das Recht der Zinsminderung des Mieters deshalb ablehnen, weil die Mieter im Rahmen des Corona-Hilfsfonds einen Fixkostenzuschuss bekommen. Diese Argumentation ist unzutreffend, denn ein derartiger Vorteilsausgleich ist bei der Berechnung der Zinsminderung nicht vorgesehen.
Abgesehen davon setzen Zuschüsse für Geschäftsraummieten gerade voraus, dass der Mietzins nicht reduziert werden konnte. Konnte der Mietzins gemindert werden, steht dafür auch kein oder nur ein geringerer Zuschuss zu.
Schon nach ihrem Zweck sollen diese Zuschüsse also dem Mieter helfen und nicht dem Vermieter einen entgangenen Mietzins ersetzen. Auch kann die Gewährung eines staatlichen Zuschusses zu den Fixkosten des Mieters nicht von der Reaktion des Vermieters abhängen. Bestandgeber könnten aber bei Erfüllung der Voraussetzungen selbst Fixkostenzuschüsse beantragen.
Zu dieser Thematik hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer Grundsatzentscheidung bereits im Jahr 1915 (veröffentlicht im Plenissimarbeschluss vom 24.08.1915 Nr. 453/15) Stellung bezogen. Er legte unmissverständlich dar, dass die Regelung des § 1104 ABGB auch dann keine Einschränkung erleidet, „wenn dem Mieter aus privaten oder öffentlichen Mitteln Mietunterstützungen“ gewährt worden sind, weil es „an jedem gesetzlichen Grunde mangelt, diese Zuwendungen oder deren Wert dem Vermieter als gänzlichen oder teilweisen Ersatz für den ihm entgangenen Mietzins zukommen zu lassen“.
Es ist auch nicht Aufgabe des Mieters, durch Verzicht auf eine ihm gesetzlich zustehende Mietzinsbefreiung bzw. Mietzinsminderung auf Kosten des Steuerzahlers Förderungsleistungen zu beantragen, um diese dem Bestandgeber zukommen zu lassen (vgl. LG für ZRS Wien, 39 R 27/21 s).
6. Keine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten während des ersten oder späteren Lockdowns:
Auch wenn die bisher vom Gericht in Verfahren, an denen ich auf Mieterseite beteiligt war, zu beurteilenden Sachverhalte allesamt den ersten Lockdown betrafen, ist nach ihrer Art und Auswirkung nicht zwischen behördlichen Maßnahmen, die den ersten, zweiten, dritten oder einen zukünftigen Lockdown betreffen, zu unterscheiden.
Mit großem Interesse erwarte ich, wie die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu diesen Fragen ausfallen wird.
7. Empfehlung:
Da die gegenständlichen Fragestellungen noch nicht ausjudiziert sind und weil zwischen Vermietern und Mietern meist langjährige Geschäftsbeziehungen bestehen, empfiehlt es sich, im jeweiligen Einzelfall faire und angemessene Regelungen zu treffen. Dabei sind die wechselseitigen Interessen - auch mit Blick auf eine künftige Partnerschaft - ausgewogen zu berücksichtigen.
Bei Fragen oder Problemen können sich betroffene Mieter gerne an mich wenden.
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Versetzung - Was darf der Arbeitgeber?
Unter einer Versetzung versteht man eine dauerhafte Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz. Das betrifft nicht nur eine Änderung des Arbeitsortes, sondern auch des Tätigkeitsbereiches. Auch die Änderung der Arbeitszeitgestaltung oder der sonstigen Arbeitsbedingungen fällt unter den Versetzungsbegriff.
Will der Arbeitgeber die Versetzung eines Mitarbeiters korrekt vornehmen, muss er zwei Umstände berücksichtigen: Einerseits muss überprüft werden, ob die Versetzung vom Arbeitsvertrag gedeckt ist. Andererseits ist in Betrieben mit Betriebsrat außerdem zu beachten, ob die Versetzung mit Verschlechterungen verbunden ist. Dies wird im Arbeitsrecht als „Zwei-Ebenen-Theorie“ bezeichnet.
Der Arbeitgeber kann seinem Mitarbeiter die Weisung geben, auf einem anderen Arbeitsplatz arbeiten zu müssen. Es besteht auch die Möglichkeit die Kündigung auszusprechen, sofern der Versetzung nicht zugestimmt wird (Änderungskündigung). Wenn nur eine Weisung ausgesprochen wird, kommt es auf die „Job-Description“ im Arbeitsvertrag an. Der Arbeitnehmer ist nur dann verpflichtet, einer Weisung auf Versetzung an einem anderen Arbeitsplatz Folge zu leisten, wenn der neue Arbeitsplatz in den vereinbarten Tätigkeitsbereich des Arbeitsvertrages fällt. Die Versetzung kann an sich vom Arbeitgeber einseitig vorgenommen werden. Der betroffene Arbeitnehmer hat aber das Recht, die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz gerichtlich überprüfen zu lassen. Es besteht auch die Möglichkeit, den vorzeitig berechtigten Austritt zu erklären. Die jeweils vernünftigste Vorgangsweise sollte man mit einem Rechtsanwalt besprechen.
In Betrieben mit Betriebsräten bestehen Mitwirkungsrechte: Vor einer geplanten Versetzung besteht ein Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrates. Ist mit der dauernden Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden, so bedarf diese zu ihrer Rechtswirksamkeit die Zustimmung des Betriebsrates. Ob sich durch die Einreihung auf den neuen Arbeitsplatz die Position des Arbeitnehmers verschlechtert oder nicht, kann von einer Reihe von Faktoren abhängen. Es spielt etwa eine Rolle, ob höhere Gefahren, Erschwernisse oder Entgelteinbußen vorliegen. Es wird ein Vergleich der konkreten Gesamtsituation des Arbeitnehmers vor und nach der Versetzung vorgenommen. Wenn sich durch einen derartigen Vergleich herausstellt, dass die Versetzung dauerhaft verschlechternd ist (länger als 13 Wochen) kann gegen die Versetzung vorgegangen werden. Es wurde beispielsweise eine Verlegung des Dienstortes um 40 km als nicht zumutbar angesehen, obwohl dies nach dem Arbeitsvertrag zulässig gewesen wäre.
Sofern ein Arbeitnehmer mit einer Versetzung nicht einverstanden ist, kann er beim Arbeits- und Sozialgericht eine Klage auf Feststellung einbringen, dass keine Verpflichtung zur Arbeit unter den Bedingungen der Versetzung besteht.
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RÜGEOBLIEGENHEIT BEI VERKÜRZUNG ÜBER DIE HÄLFTE?
Rügeobliegenheit bei Verkürzung über die Hälfte?
(10 Ob 48/20m)
Der OGH hatte sich unlängst mit der Frage zu beschäftigen, ob ein von vorne herein überhöhter – jedoch vertraglich vereinbarter – Preis ein rügepflichtiger Mangel im Sinne des §§ 377, 378 UGB ist.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin schloss mit dem Beklagten einen „Internet-System-Vertrag“ mit einer Laufzeit von 48 Monaten ab. Darin verpflichtete sich die Klägerin zur Erstellung einer Website samt Suchmaschinenoptimierung und Zusatzleistungen (Facebook Fanpage, Google my Business etc.) sowie dazu, dem Beklagten diesen Systemumfang während der Vertragslaufzeit zur Verfügung zu halten. Als Entgelt wurde pauschal für das erste Vertragsjahr € 270,00 netto monatlich und für die weitere Vertragslaufzeit € 299,00 netto monatlich vereinbart. In weiterer Folge stellte der Beklagte jedoch die Zahlungen ein, woraufhin die Klägerin die vorzeitige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund erklärte und das restliche Entgelt einklagte.
Im Verfahren wurde aber festgestellt, dass das insgesamt vom Beklagten zu leistende Entgelt sich auf € 16.804,00 belief, die von der Klägerin bis zum Ende der Vertragslaufzeit zu erbringenden Leistungen jedoch nur € 6.752,11 brutto betrugen und sohin weniger als die Hälfte des vom Beklagten zu leistenden Entgelt ausmachten.
Zur rechtlichen Beurteilung des OGH:
Mit der Einräumung des Rechtsbehelfs nach § 934 ABGB wird dem Gedanken einer objektiven Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung Rechnung getragen. Demnach kann jedermann, der bei zweiseitig verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen erhält, was er dem anderen gegeben hat, die Aufhebung dieses Vertrages und die Herstellung des vorherigen Zustandes fordern.
Die Anfechtbarkeit eines Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte (auch Laesio enormis genannt) soll dazu dienen, einen inhaltlich ungerechten Vertrag aufhebbar zu machen. Maßgeblich ist daher nur die Differenz zwischen dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung, jedoch nicht worauf diese Differenz beruht. Sie kann entweder auf einer Fehlbewertung der mangelhaften Leistung (Fehleinschätzung des Verkehrswerts) oder auf eine Fehleinschätzung der Beschaffenheit der Sache zurückzuführen sein, die zu einer falschen objektiven Bewertung durch die Partei geführt hat.
Die nach den §§ 377, 378 UGB bei beiderseitig unternehmensbezogenen Käufen statuierte Obliegenheit des Käufers, binnen angemessener Frist eine Mängelrüge zu erheben, setzt voraus, dass der Käufer nach Ablieferung durch Untersuchung einen Mangel der Ware festgestellt hat oder feststellen hätte müssen. Der Anwendungsbereich der §§ 377, 378 UGB ist auf Fälle einer Mangelhaftigkeit im Sinne einer Abweichung vom Geschuldeten, Schlechtlieferung, Qualitätsmängel, Falschlieferung oder Mengenabweichungen beschränkt. Die Zusage eines Preises, der objektiv überhöht ist, ist nach Ansicht des OGH jedoch kein rügepflichtiger Mangel im Sinne des § 377 und 378 UGB.
Schlussendlich war somit die Aufhebung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte berechtigt und bestand auch keine Rügepflicht im Sinne des UGB.
Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten, dass grundsätzlich die Rügepflicht für jeden Unternehmer bei beiderseitig unternehmensbezogenen Geschäften (B2B) Ernst zu nehmen ist, um nicht seine Ansprüche zu verlieren. Es gibt jedoch, wie aufgezeigt, Ausnahmen. Darüber hinaus zahlt es sich bei krassen Missverhältnissen zwischen Wert des Erhaltenen und der hingegebenen Gegenleistung durchaus aus, eine Aufhebung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte durch den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens prüfen zu lassen.
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MITVERSCHULDEN DURCH NICHTTRAGEN EINES FAHRRADHELMES?
MITVERSCHULDEN DURCH NICHTTRAGEN EINES FAHRRADHELMES?
(2 Ob 8/20w)
In einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung des OGH hatte sich dieser mit der Frage zu beschäftigen, ob das Nichttragen eines Fahrradhelmes bei einem erwachsenen Fahrradfahrer ein Mitverschulden an seinen Verletzungen infolge eines Sturzes begründet.
Grundsätzlich ist vorab festzuhalten, dass es in Österreich lediglich eine Radhelmpflicht für Kinder bis zum 12. Lebensjahr gibt. Darüber hinaus besteht jedoch keine Verpflichtung, einen Fahrradhelm zu tragen.
Unabhängig davon kann es jedoch in bestimmten Fällen dazu kommen, dass den Fahrradfahrer allenfalls ein Mitverschulden an seiner Verletzung trifft, wenn er keinen Fahrradhelm trägt.
In gegenständlichem Fall ist der Kläger am Abend bei Dunkelheit mit seinem Fahrrad einen Radweg entlang gefahren. Über diesen Radweg wurde aufgrund einer tags zuvor abgehaltenen Veranstaltung eine Schlauchbrücke verlegt. Der Kläger übersah diese Schlauchbrücke und kam daraufhin zu Sturz, wobei er sich auch verletzte. Der Kläger trug keinen Fahrradhelm. Er begehrte von der Beklagten, welche für die Verlegung der Schlauchbrücke verantwortlich war, Schmerzengeld und Schadenersatz. Diese wendete ein Mitverschulden des Klägers ein.
Der OGH verneinte jedoch im Ergebnis ein Mitverschulden des Klägers wegen Nichttragens eines Fahrradhelmes, wobei der OGH in seiner Entscheidung jedoch eine Unterscheidung zwischen „sportlich ambitionierten“ Radfahrern und „normalen“ Radfahrern vornimmt.
So wurde bereits in der Vergangenheit des Öfteren das Mitverschulden des Geschädigten wegen Nichttragens eines Fahrradhelmes bei „sportlich ambitionierten“ Radfahrern bejaht. Dabei wurde auf die sich bei Rennfahrten aufgrund der hohen Geschwindigkeit ergebenden besonderen Risiken abgestellt sowie auf das bei Radsportlern bestehende „allgemeine Bewusstsein“ der Wichtigkeit des Helmtragens (93 %).
Für nicht „sportlich ambitionierte“ Radfahrer hat der OGH aufgrund des fehlenden allgemeinen Bewusstseins von der Wichtigkeit des Tragens eines Fahrradhelmes (laut einer Studie des ÖAMTC im Jahr 2015 betrug die Tragequote etwa 25 % bis 30 %) ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Radhelmes jedoch abgelehnt.
Gegenständlich war der Kläger mit einem normalen Fahrrad unterwegs und ist mit lediglich 15 bis 20 km/h über diese Schlauchbrücke gefahren, weshalb der OGH hier nicht von einer Rennfahrt ausging. Ein Mitverschulden wurde daher abgelehnt.
Im Ergebnis ist nochmals festzuhalten, dass in Österreich für über 12-jährige keine Pflicht zum Tragen eines Fahrradhelmes besteht. Jedoch könnte bei „sportlich ambitionierten“ (Renn‑)Radfahrern ein Mitverschulden im Falle einer Verletzung angenommen werden und empfiehlt sich daher zumindest hier das Tragen eines Fahrradhelmes, um nicht um einen Teil seiner Schmerzengeldansprüche umzufallen.
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ANSPRUCH AUF ÜBERMITTLUNG DER EIGENEN KRANKENGESCHICHTE KOSTENPFLICHTIG?
ANSPRUCH AUF ÜBERMITTLUNG DER EIGENEN KRANKENGESCHICHTE KOSTENPFLICHTIG?
Gemäß Art 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) haben Personen das Recht, Auskunft über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu erhalten und auch eine Kopie dieser Daten anzufordern. Daraus leitet sich auch das Recht des Patienten ab, eine Kopie seiner Krankengeschichte anzufordern, wobei die erste Kopie kostenlos zur Verfügung zu stellen ist (erst für weitere Kopien können Kosten verrechnet werden). Eine Einschränkung der Unentgeltlichkeit kann nur erfolgen, wenn eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen und dem Aufwand desjenigen, der die Daten verarbeitet und daher die entsprechende Auskunft zu erteilen hat, dies ergibt.
Der Kläger wurde aufgrund eines Arbeitsunfalles in einer Krankenanstalt behandelt. Ihm wurde ein Patientenbrief ausgehändigt. Um allfällige Ansprüche in weiterer Folge durchzusetzen, begehrte der Kläger von der Krankenanstalt die Übermittlung der gesamten Krankengeschichte. Die Krankenanstalt machte die Übermittlung der gesamten Krankengeschichte gemäß Wiener Krankenanstaltengesetz von der Einzahlung eines Kostenbeitrages abhängig.
Der Kläger begehrte nunmehr, die Krankenanstalt (bzw. den dahinterstehenden Rechtsträger) zu verpflichten, ihm eine Kopie der Krankengeschichte kostenlos zur Verfügung zu stellen und stützte seinen Anspruch dabei auf Art 15 DSGVO.
Der Rechtsträger der Krankenanstalt führte aus, dass der Kläger zwar einen Anspruch auf Anfertigung einer Kopie der Krankenakte hätte, dies aber nicht kostenlos erfolgen muss. Des Weiteren müsse aus den übermittelten Unterlagen lediglich die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung hervorgehen, es soll aber „keine kostenlose Beschaffung von Beweismitteln“ ermöglicht werden.
Der Oberste Gerichtshof stellte in dieser Entscheidung fest, dass der Anspruch nach Art 15 DSGVO unabhängig davon zusteht, ob die Verarbeitung rechtswidrig erfolgt ist oder nicht. Daher hat der Kläger – wie auch gegenständlich – auch bei ordnungsgemäßer Verarbeitung der Daten den Anspruch auf Herausgabe einer Kopie.
Da der betroffenen Person (sohin dem Kläger) gem. Art 12 DSGVO sämtliche Informationen iSd Art 15 bis 22 DSGVO unentgeltlich zur Verfügung zu stellen sind, ist auch eine Kopie der Krankenakte unentgeltlich zu übermitteln. Der Oberste Gerichtshof schränkte diese Ansicht aber bereits insofern ein, als bei häufiger Wiederholung oder exzessiven Anträgen durch Betroffene ein angemessenes Entgelt verlangt werden kann, die Beweislast hiefür trifft aber denjenigen, der die Daten verarbeitet.
Der Oberste Gerichtshof hielt weiters einschränkend fest, dass unter Umständen eine Kostenersatzpflicht dann bestehen kann, wenn eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit zwischen dem Anspruch des Betroffenen und dem Aufwand für die Herstellung der Kopie dies ergibt. Aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse und Feststellungen der Vorinstanzen konnte diese Frage gegenständlich aber noch nicht abschließend beurteilt werden.
(6 Ob 138/20t)
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AUSSCHLUSS DER RÜGEOBLIEGENHEIT NACH DEM UNTERNEHMENSGESETZBUCH
Ausschluss der rügeobliegenheit nach dem Unternehmensgesetzbuch
Gemäß § 377 UGB hat bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern der Käufer eine Ware allfällige Mängel dem Verkäufer binnen angemessener Zeit bekannt zu geben. Unterlässt der Käufer die Mängelrüge, kann er Ansprüche auf Gewährleistung, Schadenersatz und Irrtum verlieren. Der OGH beschäftigte sich nun mit der Frage, ob diese Rügeobliegenheit des Käufers auch dann besteht, wenn der Verkäufer den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht oder verschwiegen hat.
Die Klägerin produzierte und verkaufte Kunststofftragetaschen unter anderem an die Beklagte, welche die Tragetaschen wieder weiterverkaufte. Die Lieferung der Ware erfolgte direkt an den Endkunden. Im Verfahren konnte die Beklagte beweisen, dass die von der Klägerin gelieferten Tragetaschen von minderer Qualität waren und bereits bei Befüllung mit einem Drittel des maximalen Füllgewichts rissen. Die Beklagte konnte weiters nachweisen, dass die Klägerin bewusst aus Kostenersparnisgründen bei der chemischen Materialzusammenstellung einen unüblich hohen Füllstoffgehalt gewählt hatte.
Da somit die Verkäuferin als Klägerin den Mangel vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verursacht hat, war die Beklagte als Käuferin nicht zur Rüge verpflichtet und konnte sich die Klägerin daher auch nicht auf die Rügeobliegenheit der Käuferin als Beklagte stützen, um Gewährleistungsansprüche der Beklagten abzuwehren.
(5 Ob 190/20g)
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Zur Gültigkeit eines fremdhändigen Testaments
Zur Gültigkeit eines fremdhändigen Testaments (OGH 17.9.2020 2 Ob 143/20y)
Nach der mittlerweile doch schon gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) beginnend mit 2018 ist ein fremdhändiges Testament, also ein solches, das nicht eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist, formungültig, wenn der Erblasser und/oder Testamentszeugen auf einem losen Blatt unterschrieben haben, ohne dass ein äußerer oder inhaltlicher Zusammenhang mit dem Blatt, auf dem sich der Text der letztwilligen Verfügung befindet, besteht.
Ein äußerer Zusammenhang ist nach Ansicht des OGH nur dann zu bejahen, wenn entweder vor der Leistung der Unterschriften von Erblasser und Zeugen oder während des Testiervorgangs (das heißt uno actu mit diesem) die äußere Urkundeneinheit hergestellt wurde, indem die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile. Für die Herstellung eines inhaltlichen Zusammenhangs zwischen den mehreren losen Blättern kann neben der Fortsetzung des Textes auch ein – vom Testator unterfertigter – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung ausreichend sein. Diese Bezugnahme muss aber inhaltlicher Natur sein, das heißt es muss erkennbar sein, auf welche inhaltliche Anordnung sich der Vermerk bezieht. Eine Seitennummerierung in der Fußzeile des zweiten Blattes kann diese innere Urkundeneinheit schon deshalb nicht zu begründen, weil sich daraus kein inhaltlicher Bezug zum Text der letztwilligen Verfügung auf dem ersten Blatt ergibt. Ist allerdings eine Fortsetzung des Textes über die einzelnen Blätter gegeben, ist das Testament formgültig.
Wir sind als Rechtsanwälte darauf spezialisiert, diese und alle notwendigen Formvorschriften bei der Testamentserrichtung einzuhalten, denn es gibt von diesen einige. Wir bieten auch die Verwahrung und Registrierung im Testamentsregister der österreichischen Rechtsanwälte an, so dass der letzte Wille jedenfalls und immer auffindbar ist. Selbstverständlich kann dasTestament auch jederzeit geändert oder ergänzt werden.
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WER HAFTET BEI EINEM SCHIUNFALL MIT EINEM UNMÜNDIGEN MINDERJÄHRIGEN
WER HAFTET BEI EINEM SCHIUNFALL MIT EINEM UNMÜNDIGEN MINDERJÄHRIGEN
(KIND UNTER 14 Jahren) für die daraus resultierenden schadenersatzansprüche (§§ 1309 und 1310 ABGB)
Die Gerichte müssen sich immer wieder damit auseinandersetzen, wem gegenüber Schadenersatzansprüche bei einem Schiunfall, der von einem mj. Kind unter 14 Jahren verursacht wurde, geltend gemacht werden können. Da auch bei Schiunfällen mit mj. Kindern der beteiligte Schifahrer schwerere Verletzungen davontragen kann, können mj. Kinder oder aufsichtspflichtige Personen mit relativ hohen Schadenersatzforderungen und auch Regressforderungen des Sozialversicherungsträgers (Behandlungskosten udgl.) konfrontiert werden.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte aus einem Schiunfall aus dem Titel Schmerzensgeld, Haushaltshilfe und weitere Spesen gegenüber einer mj. Beklagten, die zum Unfallszeitpunkt 10 Jahre alt war, mehr als EUR 10.000,00. Die Klägerin hat bei diesem Unfall eine schwerere Schulterverletzung erlitten, wobei der Schiunfall von der mj. Beklagten als der von oben kommenden, schnelleren Snowboardfahrerin schuldhaft verursacht wurde.
Zur rechtlichen Beurteilung des damals zuständigen OLG Innsbruck als Berufungsgericht:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Schadenersatzansprüche gegenüber unmündigen Minderjährigen (Kinder unter 14 Jahren) nach § 1310 ABGB gegenüber der Haftung der aufsichtspflichtigen Personen nach § 1309 ABGB subsidiär sind, d.h., dass diese unter den Voraussetzungen des § 1310 ABGB nur dann gegenüber dem unmündigen Minderjährigen durchgesetzt werden können, wenn keine Haftung einer aufsichtspflichtigen Person gemäß § 1309 ABGB besteht. Dies bedeutet zwar nicht, dass zuerst immer der Aufsichtspflichtige geklagt werden muss, jedoch muss vom Geschädigten behauptet und bewiesen werden, dass er Schadenersatz nach § 1309 ABGB gegenüber einem Aufsichtspflichtigen nicht erlangen kann, da eine Verletzung der Aufsichtspflicht nicht vorliegt.
In diesem Fall wären zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für die Haftung des unmündigen Kindes für die Schadenersatzansprüche der Klägerin gemäß § 1310 ABGB vorgelegen, zumal der 10-jährigen Beklagten das unfallauslösende Fehlverhalten (Sorgfaltswidrigkeit) am Zustandekommen des Unfalles anzulasten gewesen wäre. Die 10-jährige Beklagte hätte unter Berücksichtigung ihres Alters hierfür auch die notwendige Einsicht in die FIS-Regeln gehabt, weshalb ihr das Fehlverhalten gemäß § 1310 erster Fall ABGB als Verschulden anzulasten ist. Da die mj. Beklagte diesbezüglich auch über eine Haushaltsversicherung verfügt, welche die Schadenersatzansprüche zu übernehmen hätte, wäre auch aus diesem Grunde die Haftung gemäß § 1310 3. Fall ABGB zu bejahen. Dies musste jedoch im gegenständlichen Fall nicht geprüft werden.
Da die Klägerin in diesem Verfahren nicht vorgebracht und auch nicht unter Beweis gestellt hat, dass für Ihre Schadenersatzansprüche die Haftung einer aufsichtspflichtigen Person nicht vorliegt, konnte sie ihre Schadenersatzansprüche vorerst gegenüber der mj. Beklagten nicht durchsetzen, da deren Haftung überhaupt nur dann in Frage kommt, wenn eine Verletzung der Aufsichtspflicht nicht vorliegt. Auch bei einem 10-jährigen Kind kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass es keiner Aufsichtspflicht mehr unterliegt. Dies ist vielmehr danach zu überprüfen, ob das 10-jährige Kind durchschnittlich gut schifahren kann, eine bestimmte Schipiste gut kennt und daher alleine auf dieser Piste fahren darf oder bereits an mehreren Schikursen und Ausbildungen teilgenommen hat, sodass dem Kind auch die grundsätzlichen Regeln des Schisportes bekannt sind. Da diese Fragen und somit eine allfällige Haftung der aufsichtspflichtigen Person nicht geklärt wurden, wurden die Schadenersatzansprüche der Klägerin schließlich abgewiesen.
Zu beachten:
Es empfiehlt sich daher in jedem Fall mit einer/einem Rechtanwältin/Rechtsanwalt abzuklären, wer bei einem Schiunfall – oder sonstigen Unfall – mit einem unmündigen Minderjährigen (Kind unter 14 Jahren) in Anspruch genommen werden soll und unter welchen Voraussetzungen eine Haftung einer aufsichtspflichtigen Person oder des Kindes selbst besteht. Je älter das Kind ist, desto eher ist ihm ein schuldhaftes Verhalten anzulasten bzw. die Einsichtsfähigkeit in bestimmte Regeln zuzumuten, sodass damit die Aufsichtspflicht in den Hintergrund tritt. Hier wird durchaus vom OGH die Auffassung vertreten, dass ein Kind von seinen Eltern oder sonstigen aufsichtspflichtigen Personen nicht „auf Schritt und Tritt“ beaufsichtigt werden muss. Für die Haftung des Kindes spielt jedoch überdies eine große Rolle, ob dieses über entsprechendes Vermögen verfügt, wozu auch eine Haftpflichtversicherung im Rahmen der Haushaltsversicherung zählt, sodass auch dies als Haftungskriterium heranzuziehen ist.
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HERAUSGABE VON SCHULZEUGNISSEN
(1 Ob 112/20g)
Der OGH beschäftigte sich unlängst mit der Frage, ob ein nicht obsorgeberechtigter Vater die Übermittlung der Schulzeugnisse seiner 14-jährigen Tochter verlangen kann.
Zum Sachverhalt:
Die Mutter ist allein obsorgeberechtigt über die 14-jährige Tochter. Der Vater verlangte von der Mutter die Herausgabe der Schulzeugnisse der gemeinsamen Tochter, da der weitere Ausbildungsweg auch Auswirkungen auf seine Unterhaltspflicht habe. Die Mutter weigerte sich die Zeugnisse herauszugeben, da die Tochter dies nicht möchte.
Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab.
Das Rekursgericht gab dem Antrag statt und trug der Mutter auf, dem Vater die Kopien der begehrten Zeugnisse zu übermitteln. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen.
Zur rechtlichen Beurteilung des OGH:
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhoben die Mutter und die 14-jährige Tochter außerordentliche Revisionsrekurse. Der OGH beschäftigte sich eingehend mit den Informationsansprüchen des nicht obsorgeberechtigten Elternteils. Er konnte, entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelwerberinnen, keine Verletzung des Kindeswohls durch die Übermittlung der Zeugnisse erblicken. Die Auskunftspflicht trifft auch nicht das Kind, sondern den obsorgeberechtigten Elternteil. Kommt der auskunftspflichtige Elternteil der Anordnung nicht nach, kann der andere Elternteil auch zur direkten Informationsbeschaffung bei Dritten ermächtigt werden.
Dem Vorbringen der Rechtsmittelwerberinnen, dass die Informationserteilung gegen den Willen der Tochter zu einem Bruch im Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Tochter führt, folgt der OGH nicht. Insbesondere kann es zu keinem Vertrauensbruch im Mutter-Tochter Verhältnis kommen, wenn die Mutter eine gesetzliche Pflicht oder eine gerichtliche Anordnung erfüllt.
Der OGH kommt zum Ergebnis, dass die ablehnende Haltung des Kindes nicht für die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohls ausreicht und auch sonst keine Gründe vorliegen, warum der Vater die entsprechenden Informationen nicht erhalten sollte. Die Frage inwieweit Informationsrechte eingeschränkt werden können, ist vom Einzelfall abhängig und stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar. Die Revisionsrekurse wurden daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Zu beachten:
Der nicht obsorgeberechtigte Elternteil hat einen Anspruch gegenüber dem anderen Elternteil auf die Übermittlung der Schulzeugnisse des Kindes. Die ablehnende Haltung des Kindes alleine begründet keine Gefährdung des Kindeswohls, die diesen Informationsanspruch ausschließen würde.
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REISERECHT
In den allermeisten Fällen verbindet man Reisen mit positiven Gefühlen: Ob man nun Neues kennenlernt, einfach nur die Seele baumeln lasst oder gut isst - jedenfalls soll dadurch der Alltag bereichert werden.
Wenn jedoch Probleme im Zusammenhang mit Reisen auftreten, steht man als einzelner Verbraucher oft großen Reiseveranstaltern gegenüber. Spätestens, wenn sich diese unkooperativ zeigen, ist es ratsam den eigenen Rechtsbeistand zu konsultieren.
Hier kommt das sogenannte Reiserecht ins Spiel. Im groben gibt es zwei Arten von Reisen: zum einen die übliche, ,,selbst gebuchte" Reise, bei der man etwa mit dem eigenen Auto an die Adria fahrt, um dort im selbst gebuchten Hotel zu nächtigen und tagsüber an den Strand zu gehen. Bei dieser Art ist vereinfacht gesagt das allgemeine bürgerliche Recht anzuwenden (zu Ihren Möglichkeiten sogleich).
Zum anderen gibt es die sogenannte ,,Pauschalreise". Diese wurde zum Schutz der Verbraucher von der EU in Grundzügen geregelt und ist im österreichischen Pauschalreisegesetz umgesetzt. Eine solche Pauschalreise liegt vor, wenn ein Verbraucher bei einem Unternehmer eine Reise bucht, die aus mindestens zwei verschiedenen Reiseleistungen besteht. Dazu gehört etwa die Beförderung von Personen, die Unterbringung in Hotels, die Vermietung von Autos und sonstige touristische Leistungen (etwa Ausflüge vor Ort). Paradebeispiel ist die ,,All-inclusive-Reise“: man geht zum Reisebüro und bucht gemeinsam Flug und Hotel zu einem Gesamtpreis.
Bei einer Pauschalreise sind die Verbraucherrechte stärker ausgeprägt, insbesondere steht dem Reisenden ein Ersatz einer allfälligen entgangenen Urlaubsfreude zu und hat der Verbraucher mehr Informationsrechte. Wenn während der Reise Mängel auftreten, diese also nicht wie vereinbart durchgeführt wird, kann der Reisende aber immer Preisminderung oder Schadenersatz fordern. Allerdings muss der Reisende die Mängel einem Ansprechpartner vor Ort nach den Umstanden unverzüglich mitteilen. Tut er dies nicht oder nur verspätet, fallt die Preisminderung geringer aus.
Wichtigster Unterschied zwischen beiden Arten von Reisen ist die Möglichkeit eines Rücktritts vom Vertrag: Bei gewöhnlichen Reisen muss eine kostenfreie Stornierung stets mit dem Unternehmer vereinbart werden, damit diese gilt. Bei Pauschalreisen kann man unter gewissen Bedingungen immer zurücktreten, und zwar wenn ,,unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände" am Ort der Reise herrschen und einem daher der Antritt der Reise unzumutbar ist. Dies kann etwa der Fall sein bei Hurrikan-Warnungen oder Terrordrohungen. Vielfach wurde dieses Recht auch im letzten Frühjahr gebraucht, als das Coronavirus erstmals auftrat. Falls Sie damals (insbesondere im Feber oder März 2020) eine Pauschalreise storniert haben und vom Reiseveranstalter eine Stornogebühr verrechnet wurde, haben Sie gute Chancen, diese zurückzubekommen. Mittlerweile ist jedoch davon auszugehen, dass „Corona" zu einem allgemeinen Lebensrisiko geworden ist und daher ein Rücktritt bei Reisen, die Sie jetzt gebucht haben, nicht mehr kostenfrei zurückgetreten werden kann.
Wenn man ohne Angabe von Gründen zurücktritt, kann bei Pauschalreisen der Veranstalter eine angemessene und vertretbare Entschädigung verlangen. Bei gewöhnlichen Reisen wird eine Stornogebühr normalerweise etwas höher ausfallen. In beiden Fällen wird es aber teurer, je knapper man vor Antritt der Reise zurücktritt.
Die Ihnen als Verbraucher zustehenden Rechte können vom Unternehmer nicht umgangen werden. Zu beachten bleibt aber, dass vielfach Ansprüche binnen 2 Jahren verjähren. Daher sollten Sie etwa bei Reiseproblemen in Zusammenhang mit dem Beginn der Coronapandemie ehestmöglich lhren Rechtsbeistand konsultieren.
Fur Rückfragen steht Ihnen unser Spezialist Dr. Bernd Peck gerne zur Verfügung.
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AKTENVERMERK EIGENKAPITALERSATZ - KREDITGEWÄHRUNG IM KONZERN
AKTENVERMERK
EIGENKAPITALERSATZ - KREDITGEWÄHRUNG IM KONZERNOGH 23.04.2020, 6 Ob 154/19v – Downstream Kreditgewährung auf Weisung einer übergeordneten Konzerngesellschaft
Sachverhalt:
Eine Bau GmbH erhielt von ihrer Großmuttergesellschaft (Holding GmbH) mehrere Darlehen in Millionenhöhe. Alleingesellschafterin der Holding GmbH war die beklagte Partei (eine spanische Konzerngesellschaft), die auch einen geringen Anteil an der Bau GmbH (Kreditnehmerin) direkt hielt. Nachdem über das Vermögen der Bau GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, bestritt der Masseverwalter der Bau GmbH (Kreditnehmerin) die Darlehensforderung der A Holding GmbH (Kreditgeberin) mit dem Hinweis, dass die Darlehen in der Krise der Bau GmbH gewährt worden seien und somit Eigenkapitalersatzcharakter im Sinne des Eigenkapitalersatzgesetzes (EKEG) aufweisen würden.Nachdem auch über das Vermögen der Holding GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, begehrte der Kläger (Masseverwalter der Holding GmbH) die Rückzahlung der Darlehen gegen die beklagte Partei, da diese als Muttergesellschaft der Holding GmbH eine Weisung zur Darlehensgewährung erteilt habe und die Holding GmbH dementsprechend einen Ersatzanspruch gemäß dem EKEG habe.
Aus der rechtlichen Beurteilung:
Gemäß § 1 EKEG ist ein Kredit, den eine Gesellschafterin bzw. ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital ersetzend. Um eine Umgehungskonstruktion durch die Einschaltung von Konzerngesellschaften zu vermeiden, erstreckt das EKEG die genannte Regelung mittels einer eigenen Konzernbestimmung auch auf die Kreditgewährung im Konzern (§ 9 EKEG). Zudem steht in diesem Fall der kreditgebenden Gesellschaft ein Anspruch auf Erstattung der Kreditsumme gegen die Obergesellschaft zu, sofern diese eine Weisung auf Kreditgewährung erteilt hat.Nach einhelliger Auffassung erfasst § 9 Abs 1 EKEG jedenfalls die Kreditgewährung zwischen Schwestergesellschaften im weiten Sinne auf Weisung der beiden Gesellschaften übergeordneten Konzerngesellschaft.
Strittig war jedoch bislang, ob und inwieweit bei einer von oben nach unten in gerader Linie stattfindenden Kreditvergabe auf Weisung einer übergeordneten Konzerngesellschaft wie hier (= Downstream Kreditvergabe), die an der Kreditnehmerin direkt (geringfügig) beteiligt ist, vom EKEG erfasst ist und ein Erstattungsanspruch gegenüber der Weisung erteilenden Obergesellschaft besteht.
Der OGH kommt nach ausführlicher Darstellung der Lehrmeinungen zu dem Ergebnis, dass (auch) die Downstream Kreditvergabe der weit auszulegenden Konzernbestimmung des § 9 EKEG unterliegt und ein Erstattungsanspruch der kreditgebenden Gesellschaft gegen die Obergesellschaft besteht, sofern die Obergesellschaft die Weisung erteilt hat, den Kredit an eine Konzerngesellschaft zu geben.
Der OGH verlangt dafür keine ausdrückliche (formale) Weisung, sondern eine nach außen tretende Willensäußerung der Obergesellschaft, die den Handlungsspielraum der kreditgebenden Gesellschaft einschränkt. Der Begriff der Weisung ist ebenfalls weit auszulegen. Entscheidend ist die gewollte und tatsächliche Einflussnahme auf den Handlungsspielraum der kreditgebenden Gesellschaft (eine bloße Billigung des Kredits wäre nicht ausreichend).
Der OGH führt ergänzend aus, dass der Erstattungsanspruch einen Sonderfall des gesellschaftsrechtlichen Ersatzanspruchs im Zusammenhang mit einer verbotenen Einlagenrückgewähr darstellt, hält aber ausdrücklich fest, dass die Voraussetzungen einer Einlagenrückgewähr für einen Erstattungsanspruch nach dem EKEG nicht vorliegen müssen.
Fazit:
Dass auch Downstream Kredite bei Vorliegen der Voraussetzungen unter die Konzernbestimmung des § 9 EKEG zu subsumieren sind, ist zu begrüßen, weil damit den strengen Gläubigerschutzbestimmungen in Österreich Rechnung getragen wird. Hätte der OGH diese Frage verneint, könnte der durch das EKEG gewährte Gläubigerschutz im Konzern relativ einfach durch Zwischenschaltung einer weiteren Gesellschaft unterlaufen werden. Der Gesetzgeber wollte jedoch mit § 9 EKEG gerade solche Umgehungskonstruktionen vermeiden. -
AUFGRIFFSRECHTE FÜR DIE GESELLSCHAFTERINSOLVENZ
Aufgriffsrechte für die Gesellschafterinsolvenz (6 Ob 64/20k)
Der OGH beschäftigte sich unlängst mit der Frage, ob ein im Gesellschaftsvertrag vorgesehener Abschlag vom Aufgriffspreis vom Gesellschafteranteil im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters sittenwidrig sei.
Zum Sachverhalt:
Nach der Neufassung des Gesellschaftsvertrages soll die rechtskräftige Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögens eines Gesellschafters ein Aufgriffsrecht der übrigen Gesellschafter zur Folge haben. Dabei soll der Kaufpreis unter Vornahme eines Abschlages von 20 % vom begutachteten Wert ermittelt werden.
Das Erstgericht lehnte die Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrages im Firmenbuch mit der Begründung ab, dass der vorgesehene Abschlag vom Aufgriffspreis sittenwidrig sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, ließ jedoch den ordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu, da nach Ansicht des Rekursgerichtes die Frage bisher offen gelassen wurde, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters vereinbart werden können oder hier bestimmte Regelungen in der Insolvenzordnung dem entgegenstehen würden.
Zur rechtlichen Beurteilung des OGH:
Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich in seiner Entscheidung ausführlich mit verschiedensten Regelungen der Insolvenzordnung, welche allenfalls einem gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsrecht entgegenstehen würden. Schlussendlich kam er jedoch zu dem Ergebnis, dass die Regelungen in der Insolvenzordnung dem nicht entgegenstehen. Dies, da das grundsätzliche Interesse der Gesellschaft, im Falle der Insolvenz eines anderen Gesellschafters das Eindringen eines Gesellschaftsfremden verhindern zu wollen, auch durchaus legitim sei und bestehe danach gerade bei personalistisch geprägten Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein massives praktisches Bedürfnis hierfür.
Zur Frage des Abfindungspreises kam der OGH zu folgendem Schluss:
Demnach folgen satzungsmäßige Abfindungsregelungen im allgemeinen zwei Ziele: Zum einen dienen sie dem Bestandschutz der Gesellschaft. Die Gesellschaft soll davor geschützt werden, dass in den häufig nicht voraussehbaren Fällen einer Einziehung oder eines sonstigen Ausscheidens eines Gesellschafters erhebliche Teile des Gesellschaftsvermögens für die Abfindung verwendet werden müssen und dadurch die Fortführung des Gesellschaftsunternehmens gefährdet werde. Zum anderen geht es aber auch um die Streitvermeidung. So soll den oft langwierigen und komplizierten Streitigkeiten über die richtige Höhe der Abfindung von vornherein der Boden entzogen werden. Das Bedürfnis für einen Bestandschutz sei groß. Andererseits seien auch die Interessen des ausscheidenden Gesellschafters zu berücksichtigen. Für ihn gehe es um die Frage, ob er sein in der Gesellschaft gebundenes Vermögen realisieren könne oder ob er Teile dieses Vermögens entschädigungslos verliere.
Schließlich sind auch die Interessen der Gesellschaftsgläubiger berührt. Würde der Gesellschaftsanteil aus Anlass einer Pfändung oder Gesellschafterinsolvenz eingezogen, hänge der der Erfolg der Zwangsvollstreckung von der Höhe und Fälligkeit des Abfindungsanspruches ab. Dieser Interessenswiderstreit ist bei der Beurteilung der einzelnen Abfindungsklauseln zu berücksichtigen.
Die Abfindungsklausel kann zum einen – etwa wegen sittenwidriger Benachteiligung des abzufindenden Gesellschafters – nichtig sein. Zum anderen kann durch die Entwicklung des Gesellschafterunternehmens im Laufe der Zeit ein grobes Missverhältnis zwischen der vertraglich geschuldeten Abfindung und dem tatsächlichen Anteilswert entstanden sein, sodass eine Korrektur der Abfindungsregelung nötig werde.
Durch eine Abfindungsbeschränkung werden die Gläubiger des Gesellschafters benachteiligt, wenn der Geschäftsanteil ihres Schuldners – wie häufig – aus Anlass einer Pfändung des Geschäftsanteils oder der Insolvenz des Gesellschafters eingezogen oder aufgegriffen werden kann. Die Nachteile können in der Beschränkung der Abfindungshöhe, aber auch in ungünstigen Auszahlungsregelungen bestehen.
Schlussendlich kommt der OGH daher zu der Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes freiwilliges Ausscheiden und das Ableben eines Gesellschafters einerseits sowie Exekution bzw. Insolvenz andererseits als Fälle des Aufgriffsrechts gleich behandelt werden müssen. Eine Abfindungsbeschränkung unter den Verkehrswert (Schätzwert) des Geschäftsanteils in den Fällen der Exekution und Insolvenz des Gesellschafters ist darüber hinaus nur zulässig, wenn sie nicht nur in diesen Fällen greift, sondern eine entsprechende Reduktion des Abfindungsanspruches für jede Konstellation des freiwilligen (insbesondere der Anteilsübertragung) und des unfreiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters vereinbart wird.
Im vorliegenden Fall ist in der vorgelegten Neufassung des Gesellschaftsvertrages im Fall des Ablebens des Gesellschafters sowie dann, wenn alle Gesellschafter der Veräußerung des Anteils zustimmen, kein Abschlag vom Verkehrswert vorgesehen. Damit ermöglicht der Gesellschaftsvertrag es einem Gesellschafter, im Fall einer Veräußerung zwar für sich den vollen Verkehrswert zu lukrieren (gleiches gilt für die Erben des Gesellschafters im Erbfall), während im Fall seiner Insolvenz die Gläubiger Kürzungen hinnehmen müssten. Darin liegt aber nach Ansicht des OGH eine sittenwidrige Benachteiligung der Gläubiger für den Insolvenzfall, sodass die Eintragung der Satzungsänderung zu Recht verweigert wurde.
Zu beachten:
Der OGH hält somit ausdrücklich fest, dass unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes freiwilliges Ausscheiden und das Ableben eines Gesellschafters einerseits sowie Exekution bzw. Insolvenz andererseits als Fälle des Aufgriffsrechtes gleich behandelt werden müssen. Alles andere ist nach Ansicht des OGH sittenwidrig.
Um solche Fälle oder auch andere Streitigkeiten bestmöglich vorzubeugen, empfiehlt es sich daher, bei der Konzipierung Ihres Gesellschaftsvertrages immer auch gleich die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu Raten zu ziehen. -
EINE FÜR 72 STUNDEN VERLASSENE WOHNUNG, EISIGE KÄLTE UND ANSCHLIESSEND VIELE PROBLEME
Eine für 72 Stunden verlassene Wohnung, eisige Kälte und anschließend viele Probleme (7 Ob 104/20z)
In einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hat sich dieser mit der berühmten „72 Stunden-Klausel“ befasst, welche sich in den meisten Eigenheimversicherungen befindet. Der OGH geht dabei unter anderem den Fragen nach, ob durch das zwischenzeitliche kurze Betreten der Wohnung die 72 Stunden von neuem zu laufen beginnen und ob es eine Rolle spielt, wann genau der Wasserschaden auftritt.
Zum Sacherhalt:
Die Kläger sind jeweils Hälfteeigentümer eines Appartementwohnhauses, welches durch Dritte, nämlich einem Ehepaar touristisch vermietet wird. Dieses Ehepaar, welches dem Verfahren auf Seiten der Kläger beigetreten ist, wickeln das Bewerben des Objekts und die gesamte Vermietung ab. Sie bereiten das Appartementhaus für die Gäste vor und reinigen es anschließend wieder und organisieren auch den Check-in und Check-out. Die Beklagte ist ein Versicherungsverein und besteht zwischen den Klägern und der Beklagten für das besagte Appartementwohnhaus eine Eigenheimversicherung, welcher die allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung und die allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung zugrunde liegen. In diesen Versicherungsbedingungen sind unter anderem auch gewisse Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, sohin gewisse Verpflichtungen des Versicherungsnehmers enthalten. So auch folgende Obliegenheit:
„Werden Gebäude, Wohnungen oder andere Räumlichkeiten mit Wasseranlagen nicht benützt bzw. länger als 72 Stunden von allen Personen verlassen, sind alle Wasserzuleitungen abzusperren und geeignete Maßnahmen gegen Frostschäden zu treffen (…). Ihre Verletzung führt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers“.
Am 7.12.2017 suchte die für die Betreuung und Abwicklung zuständige Dame gegen 10:30 Uhr das Appartementhaus auf, weil es am 9.12.2017 gereinigt werden sollte. Sie aktivierte die Heizkörper, drehte den Zentralwasseranschluss und den Boiler auf und vor ihrem Verlassen des Hauses nach etwa 30 Minuten nicht wieder ab. Am späten Nachmittag des 7.12.2017, sohin am selben Tag, begab sich ihr Ehemann in das Appartementhaus, um eine Kleinigkeit zu holen. Er verließ das Appartementhaus etwa nach vier Minuten wieder. Anzeichen eines Wasserschadens bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Da die geplante Reinigung am 9.12.2017 doch nicht durchgeführt wurde, blieb das Appartementhaus bis 10.12.2017 unbesucht. Am 10.12.2017 gegen 14:00 Uhr
entdeckte ein Nachbar Durchfeuchtungsschäden an der Fassade und meldete diese.
Die Kläger begehrten nunmehr von der Beklagten als Versicherung die Zahlung von € 49.066,50 als Ersatz für den entstandenen Durchfeuchtungsschaden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsurteil hingegen änderte das Urteil dahingehend, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehen würde. Aufgrund der von der Beklagten erhobenen Revision an den Obersten Gerichtshof hatte sich dieser nunmehr mit der Sache zu beschäftigen.
Zur rechtlichen Beurteilung des OGH:
Der OGH verwies zunächst nochmals auf die Versicherungsbedingungen, wonach alle Wasserzuleitungen abzusperren sind, wenn das Gebäude, die Wohnung oder andere Räumlichkeiten mit Wasserzuleitungen länger als 72 Stunden von allen Personen verlassen werden. In diesem
Zusammenhang hielt der OGH auch fest, dass ein fallweises kurzes Begehen, wie dies gegenständliche durch den Ehemann erfolgte, nicht Genüge. Somit war gegenständlich Wohnung länger als 72 Stunden verlassen.
Darüber hinaus hielt der OGH fest, dass es keinen Unterschied machen würde, ob das Gebäude zu Hauptwohnzwecken, oder nur zur Privatzimmervermietung verwendet wird. Dies ändere nichts an der vereinbarten Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag (sogenannte Obliegenheiten).
In weiterer Folge beschäftigte sich der OGH mit der Frage, ob die Obliegenheitsverletzung auch ursächlich für den eingetretenen Schaden sein muss, damit die Versicherung gänzlich leistungsfrei ist.
Nach Ansicht des OGH nimmt der Versicherer nach den Versicherungsbedingungen in Kauf, dass das Haus bis zu 72 Stunden, also volle drei Tage, nicht bewohnt wird und während dieser Zeit auch keine Beaufsichtigung erfolgt. Tritt daher der Versicherungsfall (Austreten von Wasser) bereits innerhalb der ersten 72 Stunden ein, dann wäre die Obliegenheitsverletzung (Nichtabsperren bei einer Abwesenheit von mehr als 72 Stunden) nicht kausal, spricht nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles dem Grunde nach, sondern nur für den Umfang der Versicherungsleistung im Ausmaß des Schadenseintritts nach Ablauf der 72 Stunden. Erfolgte der Wasseraustritt aber erst nach Ablauf der ersten 72 Stunden, dann wäre die
Obliegenheitsverletzung ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfall dem Grunde nach und die Beklagte, somit die Versicherung zur Gänze leistungsfrei. Da jedoch von den Vorinstanzen keine Feststellung dazu getroffen wurden, wann genau der Wasserschaden eingetreten ist, konnte der OGH die Angelegenheit nicht endgültig entscheiden, sondern verwies diese an das Erstgericht zurück.
Zu beachten:
In dieser Entscheidung wurde nochmals festgehalten, dass die 72 Stunden-Klausel nicht nur für Privatwohnungen zur Anwendung kommt, sondern auch für gewerblich vermietete Wohnungen. Darüber hinaus beginnen die 72 Stunden zu laufen, sobald die Wohnung bzw. das Gebäude verlassen wurde. Ein kurzzeitiges Zurückkehren in die Wohnung, um lediglich etwas zu holen, ohne länger in der Wohnung zu verweilen, führt wohl in den meisten Fällen nicht dazu, dass die 72 Stunden von vorne zu laufen beginnen. Sollte jedoch einmal die Wohnung oder das Haus für 72 Stunden unbeaufsichtigt bleiben sein und nach Ihrer Rückkehr ein Wasserschaden festgestellt werden, so muss jedenfalls abgeklärt werden, wann dieser Wasserschaden erstmalig aufgetreten ist. Eine Leistungsfreiheit der Versicherung steht somit nicht gleich von vornherein fest. In diesem Fall empfiehlt sich aber jedenfalls die Kontaktaufnahme mit der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt Ihres Vertrauens. -
Hausdurchsuchung
Hausdurchsuchung
Es zählt zu den schlimmen Momenten im Leben: frühmorgens plötzlich steht die Polizei mit einem Hausdurchsuchungsbefehl vor der Tür ! Was kann man machen und was ist zu beachten ?
Hausdurchsuchungen finden nicht nur in Kriminalstrafverfahren statt, sondern auch in finanzbehördlichen Verfahren. (In geringeren Ausmaßen kommt es auch in Wettbewerbs- und Patentverfahren zu Hausdurchsuchungen.) Eines aber haben alle gemeinsam, nämlich das Überraschungsmoment und daher sind die meisten Menschen von einer plötzlichen Hausdurchsuchung meistens überrumpelt und wissen nicht, wie sie weiter agieren sollen. Dieser kurze Artikel soll hier Abhilfe verschaffen.
Das Hausrecht ist durch Art.9 StGG und das Gesetz zum Schutze des Hausrechts, die beide im Verfassungsrang stehen, geschützt. Eingriffe in das Hausrecht sind danach nur in sehr eingeschränktem Ausmaß zulässig. Ein möglicher Eingriff stellt die Hausdurchsuchung dar, die nur zulässig ist, wenn alle Voraussetzungen der Verfassung und der einfach-gesetzlichen Regelungen eingehalten werden.
Zuallererst sollte der Betroffene prüfen, ob es
sich wirklich um eine Hausdurchsuchung handelt oder um eine steuerrechtliche Nachschau oder gar nur um eine freiwillige Durchsuchung handelt, der man nicht zustimmen muss. Eine Hausdurchsuchung bedarf grds. eines schriftlichen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls. Nur ausnahmsweise darf die Polizei oder Finanzbehörde eine Hausdurchsuchung ohne diesen durchführen. Daher sollte man sich diesen zu Beginn vorlegen lassen und sorgfältig durchlesen.
Es sollte auch umgehend ein Rechtsanwalt kontaktiert werden und die Behörde sollte gebeten werden mit der Hausdurchsuchung zuzuwarten bis dieser erscheint. Man darf grds. jederzeit den Rechtsbeistand kontaktieren und sich dafür auch vom Ort der Hausdurchsuchung entfernen. Zusätzlich darf auch eine Vertrauensperson zur Hausdurchsuchung hinzugezogen werden. Vorsicht besteht insb. bei Telefonaten, da häufig zusätzlich eine Telefonüberwachung durchgeführt wird.
Die Hausdurchsuchung kann abgewendet werden, wenn man das Gesuchte sofort herausgibt. Man sollte diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht ziehen, da so kein weiteres belastendes Material aufgefunden werden kann und sog. Zufallsfunde verhindert werden. Dies sollte nach einer Prüfung der Sachlage gemeinsam mit dem Rechtsanwalt entschieden werden.
Die Behörde führt ein Protokoll über die Hausdurchsuchung und die sichergestellten Gegenstände. Zusätzlich sollte auch
der Betroffene selbst ein eigenes Protokoll anfertigen und die Hausdurchsuchung dokumentieren. Zu beachten ist, dass gegen die Sicherstellung von Dokumenten und Schriftverkehr mit Berufsgeheimnisträgern, zum Beispiel Rechtsanwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder, Widerspruch erhoben werden und die Versiegelung dieser Unterlagen beantragt werden kann. Das führt zur Überprüfung der Sicherstellung der jeweiligen Unterlagen durch das Gericht.
Außerdem sollte man überprüfen inwiefern die sichergestellten Unterlagen und Datenträger für den weiteren Geschäftsbetrieb benötigt werden und gegebenenfalls noch Kopien angefertigt werden.
Wie kann man sich gegen eine Hausdurchsuchung wehren?
Der Rechtsschutz gegen Hausdurchsuchungen ist als nachträglicher Rechtsschutz ausgestaltet. D.h. man kann die Durchführung der Hausdurchsuchung zuerst einmal nicht verhindern, sondern die Rechtmäßigkeit dieser, erst im Nachhinein gerichtlich überprüfen lassen. Gegen eine Hausdurchsuchung steht jedem Betroffenen das Rechtsmittel der Beschwerde zu, wobei sich der Rechtsschutz je nach dem zugrundeliegenden Verfahren
unterscheidet. Im Rechtsmittel kann das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen, die Unverhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung und das Überschreiten des Hausdurchsuchungsbefehls gerügt werden. Die Beschwerde sollte aber in jedem Fall von einem Rechtsanwalt verfasst und eingebracht werden. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass selbst eine widerrechtliche Hausdurchsuchung nicht unbedingt zur Unverwertbarkeit der widerrechtlich
erlangten Beweismittel führt und im Verfahren weiter verwendet werden können. -
Eigenkapitalersatz
Gilt die Rückzahlungssperre des EKEG auch bei Personen, die erst später Gesellschafter werden?
Gem. § 1 EKEG ersetzt ein Kredit, den ein Gesellschafter iSd §§ 5 ff EKEG (insbesondere kontrollierende Beteiligung, Beteiligung von zumind. 25%) der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital. Wird ein solcher Kredit vor Sanierung der Gesellschaft getilgt, sind diese Zahlungen nach § 14 EKEG rückzuführen. In einem aktuellen Prozess beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob diese Rückzahlungssperre auch für Personen gilt, die zum Zeitpunkt der Kreditgewährung noch nicht Gesellschafter waren, deren Aufnahme als Gesellschafter aber bereits geplant war.
Sachverhalt:
Mehrere Personen gründeten 2010 eine GmbH zur Entwicklung eines hochwertigen Freizeitbootes. Die Gesellschaft war stets auf das Zuführen von Eigen- und Fremdkapital angewiesen. Im Jahr 2012 traten weitere Personen der Gesellschaft bei, wobei einer von ihnen mit einer Beteiligung von 20% eine Patronatserklärung abgab, mit welcher er erklärte, die Beteiligung langfristig aufrecht zu erhalten und die Gesellschaft mit dem nötigen Eigenkapital auszustatten. Der Markteintritt sollte 2015 erfolgen. Im Sommer 2015 wurde diesem Gesellschafter mitgeteilt, dass aufgrund einer „kurzfristigen Liquiditätslücke“ ein weiterer Finanzierungsbedarf von € 500.000,-- besteht. Der Jahresabschluss zum 31.12.2014, der im Juli 2015 eingereicht wurde, wies ein negatives Eigenkapital von € 1,7 Mio aus, der Verlust betrug € 5,2 Mio.
Der Gesellschafter war nicht bereit, weiteres Eigenkapital zuzuführen, wollte aber ein Darlehen gewähren. Dieses sollte von der von ihm bereits im Jahr 2014 gegründeten Holdinggesellschaft gewährt werden, von ihm beabsichtigt war, die gegenständlichen Gesellschaftsanteile in diese Holdinggesellschaft einzubringen.
Die Gesellschafter der GmbH waren mit dieser Vorgehensweise einverstanden und wurde in der Hauptversammlung im Juli 2015 „beschlossen“, dass € 500.000,-- in Form eines Darlehens gewährt werden, welche nach Übertragung der Geschäftsanteile an die Holdinggesellschaft in Eigenkapital umgewandelt werden sollten.
Im August 2015 wurde der Darlehensvertrag abgeschlossen (Fälligkeit Dezember 2015). Da hinsichtlich der Übertragung der Geschäftsanteile, welche an die Zustimmung der übrigen Gesellschafter gebunden war, keine Einigung gefunden wurde, stellte die Holdinggesellschaft das Darlehen daher mit Ende Dezember 2015 fällig. Die Gesellschaft zahlte daraufhin bis Anfang September 2016 insgesamt rund € 285.000,-- zurück. Der restliche Betrag wurde von der Holdinggesellschaft als Kreditgeberin gestundet.
Da der Erfolg ausblieb, boten erst nach Stundung zwei Minderheitsgesellschafter der Holdinggesellschaft die Abtretung deren Anteile an und wurde der offene Darlehensrest in eine Finanzierung mit Rangrücktritt umgewandelt.
Im Oktober 2017 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Der bestellte Masseverwalter begehrt nunmehr von der Holdinggesellschaft die Zahlung der von der Schuldnerin geleisteten teilweise Rückzahlung des Kredits in Höhe von rund € 285.000,--.
zur rechtlichen Beurteilung:
Der Masseverwalter stützte sich unter anderem auf die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG und behauptete, dass auch die beklagte Holdinggesellschaft aufgrund ihrer späteren Gesellschafterstellung von dieser Bestimmung umfasst ist.
Gem. § 1 EKEG ersetzt ein Kredit, den ein Gesellschafter iSd §§ 5 ff EKEG (insbesondere kontrollierende Beteiligung, Beteiligung von zumind. 25%) der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital. Wird ein solcher Kredit vor Sanierung der Gesellschaft getilgt, sind diese Zahlungen nach § 14 EKEG rückzuführen.
Unstrittig war, dass sich die Schuldnerin bei Gewährung des Kredits in der Krise befand, die Schuldnerin bei der Rückzahlung nicht saniert war, die Beklagte nach Rückzahlung des Kredits einen Geschäftsanteil von 25% erworben hatte und ab diesem Zeitpunkt als Gesellschafterin iSd § 5 EKEG anzusehen ist.
Ausgehend vom Gesetzestext muss die Gesellschafterstellung gem. § 5 EKEG bei (und somit nicht nach) Kreditgewährung bestehen. Ausnahmen können aber bestehen, wenn die Kreditgewährung und der Erwerb der Beteiligungsstellung wirtschaftlich zusammengehören, der Erwerb bei Kreditgewährung bereits geplant war und ein zeitlicher Zusammenhang besteht. So bestätigte der Oberste Gerichtshof einen derartigen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang bereits in einer früheren Entscheidung, als der Kreditgeber bei Kreditgewährung zwar noch nicht über eine rechtlich gesicherte Position verfügte, da der notwendige Formalakt (Unterfertigung in Notariatsaktform) noch nicht vorlag, dies aber später nachgeholt wurde.
Auch der Zweck des EKEG würde nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes dafür sprechen, dass die Anwendung des EKEG auch auf Personen angewandt werden kann, die zwar zum Zeitpunkt der Kreditgewährung noch nicht Gesellschafter waren, dies aber später wurden. Das EKEG soll einen Ausgleich zwischen Gläubigerschutz und Finanzierungsfreiheit schaffen und Rechtssicherheit gewährleisten. Die Gesellschafter sollen daher zwar Krisen mit Krediten abfedern können, aufgrund dieser Finanzierungsverantwortung darf das Risiko aber nicht auf die Gläubiger abgewälzt wird.
Gegenständlich sah der Oberste Gerichtshof aber entgegen dem Masseverwalter keinen Spielraum für die Anwendung des § 14 EKEG. Zum einen war die beklagte Holdinggesellschaft zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens nicht Gesellschafterin iSd § 5 EKEG. Auch die rechtliche Position der Holdinggesellschaft in Hinkunft Gesellschafterin zu werden, war nicht gesichert, was sich darin zeigte, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen erst Jahre später erfolgte und hierüber anfangs keine Einigung erzielt werden konnte.
Auch eine Umgehung der Bestimmung des § 14 EKEG erkannte der Oberste Gerichtshof in dem Umstand, dass der zum Zeitpunkt der Gewährung des Kredits bereits beteiligte Gesellschafter das Darlehen über die von ihm gegründete Holdinggesellschaft leistete, nicht, da die Holdinggesellschaft bereits einige Zeit vor der beabsichtigten Kreditgewährung gründete und diese Gründung nach den Aussagen des Gesellschafters daher nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang damit stand.
Das Klagebegehren des Masseverwalters auf Rückzahlung wurde daher abgewiesen.
zu beachten:
Die Rückzahlungssperre setzt voraus, dass der Kreditgeber zum Zeitpunkt der Kreditgewährung Gesellschafter iSd §§ 5 ff EKEG ist und damit nach der Wertung des Gesetzes für die Finanzierung der Gesellschaft verantwortlich ist. Ausnahmsweise kann es aber genügen, wenn die Kreditgewährung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen und/oder zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung von Geschäftsanteilen erfolgt, um die Anwendung des § 14 EKEG zu bejahen.
Gerne steht Ihnen unsere Expertin Mag. Kornelia Kaltenhauser, LL.M. bei der Durchsetzung Ihrer Rechte in dieser komplexen Materie zur Seite. -
Filmen von Auseinandersetzungen
Verwendung von (heimlichen) Videoaufnahmen als Eingriff in die Privatsphäre?
In einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hat sich dieser detailliert mit den grundsätzlichen Fragen auseinandergesetzt, wann – allenfalls auch ohne Zustimmung und Wissen der betroffenen Person – eine Videoaufnahme gemacht und in weiterer Folge auch verwendet werden darf.
Sachverhalt:
Dem gegenständlichen Verfahren ging bereits ein jahrelanger Streit zwischen der nunmehrigen Klägerin und ihrem Ex-Lebensgefährten voraus, welche begannen, als der Ex-Lebensgefährte eine neue Lebensgemeinschaft einging. Die Klägerin wand sich gegen die neue Freundin des Ex-Lebensgefährten, beschimpfte diese mehrfach und griff diese sogar tätlich an. Vor dem gegenständlichen Verfahren waren daher bereits mehrere Verfahren zwischen der Klägerin und der neuen Freundin des Lebensgefährten anhängig und war die Klägerin auch bereits wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung gegen die neue Freundin verurteilt worden.
Am Vorfallstag brachte der Ex-Lebensgefährte die gemeinsame Tochter zu einer Sportveranstaltung. Die neue Freundin sollte die Tochter bei der Veranstaltung wieder abholen. Sie begab sich mit ihrer Schwester und ihrer Nichte zum Vereinslokal, wo sie auf die Klägerin traf. Diese stürmte auf die neue Freundin zu und fing an sie zu beschimpfen. Nachdem die Klägerin wieder ins Lokal ging, wartete die neue Freundin sowie die Begleiterinnen vor dem Lokal auf die Tochter des Ex-Lebensgefährten. Als die Klägerin wieder auf die neue Freundin zustürmte und sie wieder zu beschimpfen begann, fertigte die Nichte der neuen Freundin (und spätere Beklagte) von diesen Beschimpfungen Videoaufnahmen an. Die Klägerin nahm die Aufnahme erst nach einiger Zeit wahr, woraufhin das Video endet.
Die Aufnahme zeigte die neue Freundin dem Ex-Lebensgefährten und zeigte die Klägerin auch bei der Polizei an, woraufhin ein Strafverfahren eingeleitet und die Klägerin (noch nicht rechtskräftig) verurteilt wurde.
Im gegenständlichen Verfahren begehrte die Klägerin von der Nichte der Freundin (als Urheberin des Videos) die Unterlassung, derartige Videoaufnahmen ohne Zustimmung und Kenntnis anzufertigen, das Unterlassen der Verbreitung des Videos und die Löschung desselben.
zur rechtlichen Beurteilung:
Der Bildnisschutz ist ein Persönlichkeitsrecht. Das Recht am eigenen Bild (aber auch am eigenen Wort) stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Ohne Einwilligung angefertigte Aufzeichnungen können daher in dieses Recht eingreifen, unabhängig davon, ob diese Aufnahmen im privaten oder öffentlichen Bereich angefertigt werden und unabhängig davon, ob diese sodann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Person auf der Video-/Sprachaufzeichnung identifiziert werden kann. In diesen Fällen stehen der betroffenen Person Ansprüche auf künftige Unterlassung derartiger Aufnahmen und deren Verbreitung sowie Löschung der Aufnahmen zu.
Derjenige, der die Aufnahme macht, kann aber behaupten und beweisen, dass er in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelte und dies zur Zweckerreichung geeignet war, wobei die Aufnahme das schonendste Mittel darstellen muss.
Das Gericht hat zu prüfen, welches Interesse überwiegt und eine entsprechende Abwägung vorzunehmen. Gegenständlich kamen die Gerichte einhellig zur Ansicht, dass ein entsprechender Eingriff in die Privatsphäre vorliegt. Dennoch war nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs die Aufnahme zulässig, da die Aufnahme erst entstand, nachdem die Klägerin die neue Freundin bereits beschimpft hatte. Die Aufnahme erfolgte daher aus entsprechendem Anlass. Weiters bestünde in einem Verfahren der Freundin gegen die Klägerin die Gefahr eines Beweisnotstandes, zumal „Aussage gegen Aussage“ stehen würde. Die Begleiterinnen der Freundin könnten vom Gericht als nicht unbeteiligt und deren Aussagen daher als weniger glaubwürdig angesehen werden. Ebenso war nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zu würdigen, dass die Aussage nicht heimlich erfolgte, sondern in einer für die Klägerin wahrnehmbaren Art und Weise. Das Begehren auf Unterlassung derartiger Aufnahmen der Klägerin wurde daher abgewiesen.
Weiters begehrte die Klägerin die Unterlassung der Verbreitung, da das Video bereits dem Ex-Lebensgefährten und auch der Polizei gezeigt worden war. Auch dieses Begehren wurde vom Obersten Gerichtshof abgewiesen, da die Weitergabe eines Videos an die ermittelnde Polizeiinspektion kein rechtswidriges Verhalten darstellt. Die Weitergabe an den Ex-Lebensgefährten war legitim, da diesem eine Fürsorgepflicht gegenüber der Tochter der Klägerin zukommen kann. Anders wäre es aber zu beurteilen, hätte die Beklagte das Video im Internet veröffentlicht oder anderen – unbeteiligten – Personen gezeigt.
Auch das Begehren der Klägerin auf Löschung des Videos wurde abgewiesen, da das Strafverfahren gegen die Klägerin wegen des gegenständlichen Vorfalls noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war und die Klägerin sich selbst in anderen Verfahren auf diese Aufnahme gestützt hat.
zu beachten:
Die obige Entscheidung bietet keinen Freibrief für das Filmen/Aufnahmen von Personen, ohne deren Zustimmung. Es bedarf konkreter Voraussetzungen, damit derartige Aufnahmen auch in einem allfälligen Verfahren verwendet werden können und dürfen. Lediglich in engen Grenzen (aufgrund eines unmittelbar vorangehenden Angriffs, in einer für die betroffene Person wahrnehmbaren Art und Weise uÄ.) lässt der Oberste Gerichtshof die Anfertigung einer Aufnahme zu. Letztlich ist aber stets im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Eingriff in die Privatsphäre vorliegt oder nicht und ob berechtigte Interessen die Aufnahme rechtfertigen können.
Gerne steht Ihnen unsere Expertin Mag. Kornelia Kaltenhauser, LL.M. bei der Durchsetzung Ihrer Rechte in dieser komplexen Materie zur Seite. -
Zur Haftung wegen unzulässiger Bonitätsauskünfte
Anlassfall:
Die klagende Partei machte Schadenersatzansprüche gegenüber einer Wirtschaftsauskunftei als beklagte Partei mit der Behauptung geltend, dass ihr der Abschluss eines Kreditvertrages von der Bank verwehrt wurde, weil die beklagte Partei im Rahmen einer Bonitätsauskunft als „Negativmerkmal“ das „Merkmal 20 (Inkasso)“ angegeben hat. In der Datenbank der beklagten Partei haben sich (unrichtige) personenbezogene Daten der klagenden Partei über ein angeblich anhängiges Inkassoverfahren betreffend 138 EUR befunden. Dieser Eintrag war rechtswidrig, weil er ohne entsprechende Benachrichtigung der klagenden Partei erfolgt ist.
Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die Bank der klagenden Partei die Kreditgewährung wegen der (unzulässigen) Bonitätsauskunft der beklagten Partei verweigert hat. Es sprach der klagenden Partei aufgrund der Datenschutzverletzung lediglich einen immateriellen Schaden in der Höhe von EUR 2.000,00 zu, weil die Weitergabe der Daten rechtswidrig war, und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren ab, weil der klagenden Partei weder der Nachweis eines Schadens noch der Kausalitätsnachweis gelungen sei.
Dieses Urteil erwuchs in seinem klagsstattgebenden Teil mangels Anfechtung in Rechtskraft. Über Berufung der klagenden Partei bestätigte das Berufungsgericht den klagsabweisenden Teil des Urteils. Es erwog in rechtlicher Sicht, das Vorliegen einer unzulässigen Verarbeitung genüge noch nicht für das Entstehen einer Ersatzpflicht. Weder für das Vorliegen eines Schadens noch für die Kausalität erscheine die Annahme einer Beweislastumkehr sachgerecht. Damit gingen die vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellungen zu Lasten des Klägers.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass es zur Frage der Beweislastverteilung bei Geltendmachung eines Anspruchs nach Art 82 DSGVO keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt und diese Frage über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.
Aus der rechtlichen Beurteilung des Höchstgerichts:
Der in § 6 Abs 1 Z 1 DSG 2000 verankerte Grundsatz, wonach Daten nur nach Treu und Glauben verwendet werden dürfen, erfordert nach der Judikatur im Zusammenhang mit der Eintragung von die Kreditwürdigkeit einer Person betreffenden Daten in die „Warnliste der österreichischen Kreditinstitute zum Zweck des Gläubigerschutzes und der Risikominimierung durch Hinweis auf vertragswidriges Kundenverhalten“ eine entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich gegen eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte, seine Kreditwürdigkeit aber massiv beeinträchtigende Datenverwendung zur Wehr zu setzen. Die Eintragung in die Warnliste ist rechtswidrig und der Bank subjektiv vorwerfbar, wenn sie ohne entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen erfolgt. Dabei ist es auch irrelevant, ob die eingetragenen Datum tatsachenrichtig waren oder nicht.
Auch wenn die Rechtswidrigkeit von beiden Vorinstanzen im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bejaht wurde und auch von den Parteien nicht in Frage gestellt wird, müssen für einen Schadenersatzanspruch auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen:
Eine Beweislastumkehr besteht gemäß Art 82 DSGVO nur für das Verschulden; für den Schaden und die Kausalität trägt der Geschädigte die Beweislast.
Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass schon der Nachweis der Nichtgewährung eines Kredits nach unzulässiger Bonitätsauskunft für den Nachweis eines Schadens ausreicht.
Der vorliegende Fall ist allerdings anders gelagert:
Der klagenden Partei wurde in der Folge ein Kredit durch eine andere Bank gewährt. Er begehrt daher im vorliegenden Fall nicht den Schaden aufgrund der Nichtgewährung des Kredits, sondern den Schaden, der in der Differenz zwischen dem nichtgewährten Kredit und dem tatsächlich erhaltenen Kredit liegt. In diesem Fall kann der Schaden aber nicht schon in der Nichtgewährung eines Kredits liegen, sondern nur in der Nichtgewährung eines Kredits zu besseren Konditionen. Daher hätte die klagende Partei nach allgemeinen Grundsätzen den Eintritt des konkreten Differenzschadens beweisen müssen. Dies ist ihr fallkonkret nicht gelungen. Die klagende Partei bringt auch nicht vor, dass der tatsächlich gewährte Kredit etwa zu marktunüblichen Konditionen geschlossen wurde. Sie konnte nicht einmal die Konditionen nachweisen, die ihm angeblich angeboten wurden.
Eigene Anmerkung:
Wenngleich der Revision der klagenden Partei im Anlassfall der Erfolg versagt wurde, ist der Entscheidung dennoch weitreichende Bedeutung zuzumessen.
Gelingt es nämlich dem Betroffenen, seinen konkreten Schaden (= die Differenz zwischen dem nichtgewährten Kredit und dem tatsächlich erhaltenen Kredit) nachzuweisen, der ihm durch die rechtswidrige Datenweitergabe entstanden ist, dann ist eine Haftung der Wirtschaftsauskunftei durchaus naheliegend. Bei der Erfassung und Weitergabe solcher Daten ist also weiterhin besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten. Auf die Benachrichtigung der betroffenen Personen ist besonderes Augenmerk zu legen. -
Wann haftet ein minderjähriges Kind, wenn es mit dem Skateboard fährt?
In der Entscheidung 2 Ob 169/19w des Obersten Gerichtshofes hat sich der entscheidende Senat mit der Frage der Haftung der Minderjährigen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit einem minderjährigen Skateboard-Fahrer auseinandergesetzt.
Sachverhalt:
Ein 12-jähriges Kind befuhr mit seinem Skateboard eine Straße ohne Gehsteig, jedoch mit sehr geringem Verkehrsaufkommen. Vor dem Kreuzungsbereich mit der Bundesstraße wollte das Kind wenden. Das Rad des Skateboards blockierte jedoch aufgrund eines kleinen Steines, sodass das Kind das Gleichgewicht verlor und absprang.
Das Skateboard rollte in weiterer Folge auf die Bundesstraße. Der auf den Kreuzungsbereich zufahrende PKW-Fahrer erkannte das Hindernis und leitete eine Notbremsung ein. Der hinter ihm fahrende PKW konnte aufgrund der Notbremsung jedoch nicht mehr anhalten und fuhr dem ersten PKW-Lenker auf.
Der zweite, auffahrende PKW-Lenker erhielt einen Teil seines Schadens bereits von der Haftpflichtversicherung des Minderjährigen ausbezahlt. Den restlichen Teil forderte er nunmehr vom Minderjährigen.
rechtliche Beurteilungen:
Das Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Dem Minderjährigen ist ein Verstoß gegen das Speilen auf Straßen, aber kein besonders leichtsinniges Verhalten vorzuwerfen. Vielmehr hat der PKW-Lenker entweder zu spät reagiert oder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten, sodass eine über die Zahlung der Haftpflichtversicherung hinausgehende Haftung auszuschließen ist.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die rechtliche Ansicht der Vorinstanzen und hielt noch ergänzend fest, dass das Befahren einer Fahrbahn mit einem Skateboard grundsätzlich verboten ist. Das minderjährige Kind könnte nur dann für den Schaden haften, wenn ihm ein besonderes leichtsinniges Verhalten unterstellt werden könnte. Im Vergleich zu dem Verschulden des PKW-Lenkers, der den Sicherheitsabstand nicht eingehalten oder zu spät reagiert hat, wiegt das Verschulden des PKW-Lenkers schwerer, als das Verschulden des Kindes. Dadurch ist ein Ersatz eines weiteren Schadenersatzes ausgeschlossen.
Fazit:
Ein minderjähriges Kind (unter 14 Jahren) kann nur im Rahmen einer sog. Billigkeitshaftung für den Ersatz eines von ihm verursachten Schadens herangezogen werden. Diese Haftung ist abhängig vom Verschulden des Kindes und dessen Einsichtsfähigkeit, vom Verhalten des Geschädigten und andererseits von dessen Vermögen (somit ob sich das Kind den Ersatz überhaupt leisten kann). Bei Vorliegen einer Haftpflichtversicherung wird die dritte Voraussetzung regelmäßig bejaht. -
DATENSCHUTZGRUNDVERORDNUNG
Am 25.05.2018 wird die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unmittelbar in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten in Kraft treten. In diesem Zusammenhang wird auch das in Österreich bereits bestehende Datenschutzgesetz außer Kraft treten und durch das DSG 2018/DSGVO ersetzt.
Die Datenschutzgrundverordnung gilt für jede Person, jedes Einmann-Unternehmen, jeden klein- und mittelständischen Betrieb und jeden Konzern. Aufgrund der in der DSGVO vorgesehenen erweiterten Pflichten besteht für Unternehmen ein massiver Anpassung- und Umsetzungsbedarf. Im Fall der Verletzung der Bestimmungen gegen die Datenschutzgrundverordnung sieht diese Geldbußen in einer Höhe von bis zu € 20 Millionen oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes vor (je nach dem was höher ist). Im Zuge der Vorbereitung für die Anpassung an die DSGVO sollte zunächst der Status-Quo erhoben werden. Darauf aufbauend kann dann ein Maßnahmenplan für den jeweiligen Anpassungsbedarf ausgearbeitet werden. Im Unternehmen sollte etwa überprüft werden, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden, welche Rechtsgrundlage für diese Datenverarbeitung vorliegt und welche Datensicherheitsmaßnahmen vorhanden sind.
Es sollte jedes Unternehmen Verfahrens- und Verarbeitungsverzeichnisse über die im Unternehmen zu verarbeitenden Daten führen. Beispiele sind etwa Namen, E-Mail Adresse, Telefonnummer, Gehalt, Foto, Vermerke zu einer Person, Vertrag oder Rechnung mit Namen etc. Die DSGVO versteht unter dem Verarbeiten von Daten nicht nur deren EDV-mäßige Erfassung. Der Begriff der „Datenverarbeitung“ ist vielmehr sehr weit auszulegen: es fällt alles darunter, was man mit Daten anstellen kann. Auch ein „normaler Büroordner“ mit Unterlagen ist „Datenverarbeitung“. Die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung im Unternehmen ist somit unumgänglich notwendig.
Durch die DSGVO werden zahlreiche Rechte für Personen eingeführt, die von Datenverarbeitung betroffen sind. Dazu zählen insbesondere die Rechte auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung. In unserer Kanzlei haben sich Mag. Kornelia Kaltenhauser und Dr. Bernd Peck auf diese Thematik spezialisiert. Unsere Kanzleipartner beantworten Ihnen gerne weitere Fragen zum Datenschutz. -
RICHTIGES VERHALTEN NACH EINEM VERKEHRSUNFALL
Unfälle stellen für die meisten Verkehrsteilnehmerinnen/Verkehrsteilnehmer eine Stresssituation dar. Eine korrekte Aufklärung dieser Ereignisse wird insofern erschwert, dass dabei immer wieder unrichtige Verhaltensweisen zu beobachten sind.
Grundsätzlich muss bei Unfällen mit Personenschäden die nächste Polizeidienststelle verständigt werden. Bei Unfällen mit bloßen Sachschäden ist dies nicht unbedingt erforderlich, es sei denn, dass die Daten des Unfallgegners nicht bekannt sind. Bei Unfällen mit ausländischen Fahrzeugen empfiehlt sich jedenfalls die Verständigung der Polizei, damit die Unfalldaten vollständig erhoben werden.
Darüber hinaus sollte von jedem Verkehrsteilnehmer nach einem Unfall Nachstehendes beachtet werden.
• Unfallfahrzeuge nicht aus der Endstellung entfernen, bevor die Endstellung nicht fotografisch festgehalten oder in einer kurzen Skizze mit bestimmten örtlichen Fixpunkten (z.B. Kanaldeckel, Leitpflöcke udgl.) eingezeichnet wird;
• Überprüfung, ob sich die Fahrzeuge nach der Kollision in direktem Kontakt befinden oder ob zwischen den Fahrzeugen ein Abstand, allenfalls in welchem Ausmaß besteht. Auch dies soll fotografisch oder allenfalls zeichnerisch festgehalten werden;
• Es sollen unbedingt objektive Spuren an der Unfallörtlichkeit (z.B. Bremsspuren, Splitterfeld udgl.) festgehalten und näher beschrieben werden;
• Wenn möglich, sollte die Kollisionsstelle, die in den meisten Fällen nicht mit der Endstellung der Fahrzeuge übereinstimmt, festgehalten und eingezeichnet werden;
• Allfällige Unfallzeugen sind mit vollständigem Namen, Adresse und Telefonnummer zu vermerken;
Beachte:
Obige Umstände werden sehr häufig auch bei Einschreiten der Polizei nicht festgehalten bzw. geklärt, sodass es hier auf die Eigeninitiative der Lenker und allfälliger Beifahrer ankommt. Anderenfalls können sich bei der Unfallaufklärung, insbesondere in Zivilprozessen, große Beweisschwierigkeiten ergeben, die sich zum Nachteil des schuldlosen Lenkers auswirken können. Der Rechtsanwalt ist auf obige Informationen angewiesen und kann Sie diesfalls wesentlich besser beraten. -
HAFTUNG VON GESCHÄFTSFÜHRERN BEI DROHENDER INSOLVENZ
Im Jahr 2015 wurden in Kärnten über 360 Unternehmen insolvent und wurde über das Vermögen von mehr als 180 Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet. Insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist für Geschäftsführer bei Erkennbarkeit der Insolvenz des Unternehmens die Einhaltung von gesetzlichen Fristen zur Vermeidung von Haftungen wesentlich.
Geschäftsführer einer GmbH haben die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit, den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim zuständigen Landesgericht einzubringen. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn keine Zahlungen mehr geleistet werden können. Überschuldung ist sowohl bereits bei Vorliegen einer Unterbilanz anzunehmen, als auch für den Fall, dass die Zerschlagungswerte der im Unternehmen befindlichen Gegenstände einen Negativsaldo aufweisen.
Es besteht jedoch nicht nur die Verpflichtung zur unverzüglichen Antragstellung, sondern sind Geschäftsführer auch zur ungeteilten Hand verpflichtet, einen Kostenvorschuss für die Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens in Höhe von € 4.000,00 zu erlegen, sollte das insolvente Unternehmen hiezu nicht in der Lage sein. Es ist daher ratsam, jedenfalls den zu bezahlenden Kostenvorschuss von € 4.000,00 als „Polster“ in der Kasse zur freien Verfügung zu haben.
Eine Verzögerung führt nicht nur zu einer zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsführer für den durch die Verzögerung eingetretenen Schaden, sondern kann auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen und wird daher angeraten, bereits bei drohender Überschuldung einen Rechtsanwalt beizuziehen, um den Insolvenzeröffnungsantrag bestmöglich vorzubereiten. -
Was tun bei Arbeitsunfällen?
Ein altes Sprichwort sagt: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“. Was aber ist bei einem Arbeitsunfall konkret zu tun?
Ein Arbeitgeber hat zu beachten, dass es nach dem ASchG die Verpflichtung gibt, Kontrollmaßnahmen durchzuführen. Es ist nicht ausreichend, an Mitarbeiter die Weisung zu erteilen, Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten. Der Arbeitgeber muss sich vom Funktionieren des Kontrollsystems überzeugt haben. Arbeitgeber sind auch verpflichtet, Gefahren am Arbeitsplatz zu evaluieren und die Ergebnisse schriftlich festzuhalten (Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente).
Wenn ein Arbeitsunfall eintritt, sind Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Der verunglückten Person ist sofort Hilfe zu leisten. Im Betrieb sollte es dazu eigene betriebliche Ersthelfer geben. Darüber hinaus sind die Notdienste (Rettung, Polizei, Feuerwehr) anzufordern. In weiterer Folge sollten Beweise gesichert werden, indem der Ereignisort fotografiert wird. Es wäre von Vorteil, wenn im Unternehmen eine Person festhält was, wo, und wie genau geschehen ist.
Der Arbeitgeber hat jeden Arbeitsunfall, durch den eine unfallversicherte Person getötet oder mehr als drei Tage arbeitsunfähig geworden ist, längstens binnen 5 Tagen der Unfallversicherung zu melden. Darüber hinaus haben die Arbeitgeber Aufzeichnungen über Arbeitsunfälle zu führen und diese Aufzeichnungen aufzubewahren. Nach einem Unfall sind Arbeitgeber verpflichtet, besondere Evaluierungen durchzuführen. Die Nichteinhaltung des AschG kann zu Verwaltungsstrafen führen.
Wer grobfahrlässig einen Arbeitsunfall herbeiführt, ist von einem Strafgericht mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätze zu bestrafen. Dazu kommen noch Schadenersatzansprüche, wobei es im ASVG Haftungsprivilegien gibt. Das Gesetz unterscheidet, ob der Schaden durch ein Einsatzfahrzeug, eines Vorgesetzten oder Kollegen eingetreten ist. -
"OBSORGE NEU"
Mit 01.02.2013 ist das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz in Kraft getreten. Mit der Gesetzesnovelle wurde vor allem eine Besserstellung der Väter im Vergleich zur bisherigen Regelung bei Sorgerechtsstreitigkeiten bewirkt.
Erster Anlass zur Reform war die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), welcher erkannte, dass der Menschenrechtskonvention (MRK) widerspricht, wenn die Beteiligung des unehelichen Vaters an der Obsorge allein von der Zustimmung der unehelichen Mutter abhängt. Der österreichische Gesetzgeber musste daher einen Weg vorsehen, der dem unehelichen Vater eine Beteiligung am Sorgerecht ermöglicht, auch wenn die Mutter damit nicht einverstanden ist. Da die Reform auch zum Ziel hatte, unehelich und ehelich geborene Kinder zivilrechtlich endgültig gleich zu stellen, sind die neuen Gesetzesbestimmungen auch für die Rechtsstellung der Eltern ehelicher Kinder nach der Scheidung oder Trennung bedeutsam. Eine Entfremdung zwischen Kind und einem Elternteil (oftmals dem Vater) soll verhindert werden.
1. Das Gesetz erleichtert es den Eltern eines unehelichen Kindes, die Obsorge zusammen auszuüben. Wenn sie sich darüber einig sind, können sie entweder vor dem Standesbeamten durch persönliche Erklärung bestimmen, dass sie beide zur Gänze mit der Obsorge betraut sind (Widerruf durch einen Elternteil binnen 8 Wochen möglich), oder dem Pflegschaftsgericht eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen. In beiden Fällen ist von den Eltern festzulegen, bei wem sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll, also von wem das Kind hauptsächlich betreut werden soll.
2. Nach dem neuen Gesetzeswortlaut bleibt, wenn die Ehe oder auch nur die häusliche Lebensgemeinschaft der Eltern aufgelöst wird, die gemeinsame Obsorge grundsätzlich aufrecht. Die Eltern können in weiterer Folge eine Vereinbarung über die Alleinobsorge schließen oder die gemeinsame Obsorge aufrecht belassen. Allerdings muss in diesem Fall auch bestimmt werden, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird.
Als wichtige Neuerung vor allem aus Sicht der Väter kann nunmehr nach Auflösung der Ehe oder häuslichen Gemeinschaft auch ohne Einvernehmen der Eltern eine Obsorge beider Teile vom Gericht angeordnet werden. Dem Vater wird damit die Möglichkeit geboten, auch gegen den Willen bzw. ohne Einvernehmen mit der Mutter an der Obsorge beteiligt zu werden.
3. Nicht unumstritten ist die neue Regelung, wonach das Recht zur Aufenthaltsbestimmung (auch Übersiedlung ins Ausland) jenem Elternteil zusteht, der mit der Pflege und Erziehung betraut ist. Bei gemeinsamer Obsorge steht dieses Recht jenem Elternteil zu, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird. Wenn dies nicht festgelegt ist, ist eine Verlegung des Wohnortes des Kindes in das Ausland nur zulässig, wenn der andere Elternteil zustimmt oder eine gerichtliche Genehmigung vorliegt. In der Praxis wird es für jeden Einzelfall wichtig sein, die Gründe, warum eine Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland dem Wohl des Kindes dient, genau darzulegen. -
MOBBING AM ARBEITSPLATZ
Mobbing ist ein ständiger Begleiter in der Arbeitswelt. Nun muss der Arbeitgeber reagieren.
In einer aktuellen Entscheidung (9 ObA 131/11x) stellte der OGH klar, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, im Rahmen seiner Fürsorgepflichten aktiv auf „Mobbing“ unter seinen Arbeitnehmern zu reagieren. Der Arbeitgeber ist verpflichtet „Mobbinghandlungen“ entgegen zu wirken.
Gegenstand des Verfahrens waren Schadenersatzansprüche eines Arbeitnehmers (Kläger) gegenüber seinem Arbeitgeber (Beklagter), bei dem er mehrere Jahre beschäftigt gewesen ist. Gestützt wurden die Ansprüche darauf, dass der Arbeitnehmer während seines Arbeitsverhältnisses durch verschiedene, über einen längeren Zeitraum gehende „Mobbinghandlungen“ eine psychische Beeinträchtigung erlitten hat. Der Arbeitnehmer legte im Beweisverfahren ärztliche Befunde vor, dass durch das „Mobbing“ eine psychische Erkrankung eingetreten ist. Diese bedurfte bereits während noch aufrechtem Arbeitsverhältnis ärztlicher Behandlung und auch nach dessen Beendigung ist der Arbeitnehmer auf solche angewiesen. Das „Mobbing“ hat beim Arbeitnehmer überhaupt erst zu einem vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis geführt. Unternommen wurde vom Arbeitgeber gegen die „Mobbinghandlungen“ nichts. Somit klagte der Arbeitnehmer auf Verdienstentgang, Fahrtkosten und pauschale Unkosten.
Die Schäden wurden dem Arbeitnehmer nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von anderen Arbeitnehmern zugefügt. Sie sind aber laut OGH dem Arbeitgeber zurechenbar, weil er seine Fürsorgepflicht verletzt hat. Die allgemeine Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB, § 18 AngG) gebietet dem Arbeitgeber nämlich, dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in seinem Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer nicht durch unsachliche Belästigung, sprich „Mobbing“, durch andere Arbeitnehmer beeinträchtigt wird. Der Arbeitgeber ist in Bezug auf die Wahl der Mittel gegen ein bekannt gewordenes „Mobbinggeschehen“ grundsätzlich frei. Der betroffene Arbeitnehmer hat etwa keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit demjenigen, der die „Mobbinghandlungen“ setzt, beendet. Der Arbeitnehmer hat jedoch ein Recht darauf, dass der Arbeitgeber aktiv wird und die erforderlichen bzw. angemessenen Mittel gegen das „Mobbinggeschehen“ anwendet, um ihn vor weiteren Angriffen zu schützen. Dabei haben die Maßnahmen des Arbeitgebers unverzüglich zu erfolgen, sobald ihm Gefährdungen zur Kenntnis gelangen.
Richtiges Verhalten des Arbeitgebers
Voreilige Reaktionen des Arbeitgebers auf behauptete Verfehlungen eines Arbeitnehmers sind für den Arbeitgeber riskant. Die Reaktionen des Arbeitgebers sollen daher gut überlegt sein. Untätigkeit ist jedoch, wie die vorliegende Entscheidung zeigt, keine Lösung, sondern wird häufig als „Freibrief“ missverstanden. Abschließend bleibt daher darauf hinzuweisen, dass auf Grund der Fürsorgepflicht an einem Tätigwerden des Arbeitgebers kein Weg vorbeiführt, da für die Mobbingbetroffenen echter Schutz gefordert ist. Der Arbeitgeber ist deshalb verpflichtet, je nach Umständen des Falles, passende Lösungen (Schlichtungsversuche, Abmahnungen etc.) zu erwirken.
Nähere Informationen: 9 ObA 131/11x -
NEGATORISCHER UNTERLASSUNGSANSPRUCH GEGEN UNBEFUGTES EINDRINGEN IN EIN EDV-SYSTEM
In einer aktuellen Entscheidung hat der OGH erstmalig zu „Hacking-Versuchen“ Stellung bezogen. In diesem Fall ging es um einen Journalisten, der im Zuge von Recherchearbeiten versuchte, in das E-Mail-System der (späteren) Klägerin einzudringen.
Er schrieb einen Artikel über den Geschäftsführer der Klägerin und wollte dafür im Internet recherchieren. Er versuchte von seinem Arbeitsplatz im Redaktionsgebäude einer Tageszeitung (spätere Beklagte) aus, in das E-Mail-System der Klägerin zu gelangen. Dabei verwendete er den für die Mitarbeiter frei zugänglichen Computer und griff auf die von der Klägerin eingerichtete Homepage zu. Durch Raten und Eingeben von Passwörtern versuchte er sein Ziel zu erreichen. Ein Zugriff gelang ihm jedoch nicht.
Die Klägerin erhielt schließlich von ihrem EDV-Betreuer die Information, dass ein Zugriff auf ihr E-Mail-System versucht worden ist. Sie konnte durch Rückverfolgung feststellen, dass der Angriff von einer im Einflussbereich der Beklagten stehenden IP-Adresse, also somit von einem Mitarbeiter der Beklagten, unternommen worden war. Daraufhin verlangte sie von der Beklagten, es zu unterlassen, sich zu den Datenbanken der Klägerin Zugang zu verschaffen.
Der OGH entschied, dass es einen negatorischen Unterlassungsanspruch gegen das Eindringen in ein EDV-System gibt. Dabei hat er sich auf die Rechtsprechung zu Eigentums- und Servitutsrechten (§§ 523, 364 Abs 2 ABGB) gestützt.
Da die Beklagte, bei der der Journalist im Zeitpunkt des „Hacking-Versuches“ angestellt war, auch die technischen Mittel dafür zur Verfügung gestellt hat, haftete sie für den „fehlgeschlagenen Hacking-Versuch“ ihres Mitarbeiters.
Die Beklagte hat den Computer mit der entsprechenden IP-Adresse zur Verfügung gestellt und hatte damit Einfluss auf Art und Weise der Benutzung dieses Anschlusses. In diesem Sinne hat der OGH daher ausgesprochen, dass von der Beklagten, als mittelbarer Störer, Unterlassung gegen das unbefugte Eindringen in ein Computersystem begehrt werden kann.Nähere Informationen: 6 Ob 126/12s
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AUFKLÄRUNGSPFLICHTEN BEI PROFESSIONELLEN MARKTTEILNEHMERN
Auch ein versierter Geschäftspartner darf nicht in die Irre geführt werden. Der OGH hatte den Fall eines Derivategeschäftes (Quanto-Snowball-Swap) zwischen einer Bank und einem Sozialversicherungsträger zu entscheiden. Gegenständlich war entscheidend, dass der abgeschlossene Vertrag unwirksam war, weil dieser nicht gemäß § 446 Abs 3 ASVG ministeriell genehmigt wurde.
Der OGH hatte aber auch zu prüfen, ob die Bank ihre vorvertraglichen Aufklärungsplichten verletzt hatte. Es wurde gegen die Bank der Vorwurf erhoben, dass die Mitarbeiter falsche Vorstellungen des Kunden über das bei einem bestimmten Verlauf des Geschäfts zu erwartende Verhalten der Bank und über die Höhe eines Ausstiegspreises nicht korrigiert hätten. Dadurch wären die Risiken des Geschäfts verharmlosend dargestellt worden.
Der betroffene Sozialversicherungsträger war von der Bank als „professioneller Marktteilnehmer“ eingestuft worden. Der OGH entschied, dass auch eine hohe Professionalität des Kunden nicht ausschließen kann, dass er im Einzelfall bezüglich eines bestimmten Geschäfts einer Fehlvorstellung unterliegt. Kann der Anlageberater dies erkennen, dann hat er den Kunden speziell darüber aufzuklären, will er nicht das Geschäft der Anfechtbarkeit wegen Willensmangels aussetzen. Daher sind bei einem hochkomplex strukturierten und riskanten Produkt, insbesondere bei strukturierten Swaps, unabhängig von den Vorkenntnissen und der Risikobereitschaft des Kunden, an die Aufklärungspflichten der Bank hohe Anforderungen zu stellen.
Nähere Informationen: OGH 8 Ob 11/11t -
MITVERSCHULDEN DES FUSSGÄNGERS AM SCHUTZWEG
Auch Fußgänger haben vor allem bei widrigen Umständen, wie Dunkelheit und Regen, vor der Überquerung eines Schutzweges die Verkehrslage sorgfältig zu prüfen und im Zweifel eher ungünstig zu beurteilen. Auch einem bevorrechteten Fußgänger ist es zuzumuten, nicht gleichsam blind den Schutzweg zu betreten.
Im November 2008 kam es in Salzburg gegen 17:20 Uhr zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Fahrzeuglenker eines PKW einen Fußgänger, welcher einen gem. § 53 Z 2 StVO gekennzeichneten Schutzweg überqueren wollte, erfasste. Der Kläger begehrte vom Beklagten, dem Fahrzeuglenker, Schmerzengeld, sowie Ersatz der durch den Unfall verursachten Aufwendungen. Der Beklagte wendete ein, dass der Kläger durch das überraschende Betreten des Schutzweges unmittelbar vor dessen Fahrzeug ein Mitverschulden treffe.
Der Oberste Gerichtshof ging nunmehr davon aus, dass den Fahrzeuglenker ein Verschulden dahingehend getroffen hat, dass er die im § 9 Abs 2 StVO statuierte Hauptpflicht, Fußgängern eine ungehinderte und ungefährdete Überquerung zu ermöglichen, verletzt hat. Dem Kläger ist nicht anzulasten, dass er den Schutzweg überraschend bzw. unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug betreten hat. Es ist davon auszugehen, dass der Fahrzeuglenker bei ordnungsgemäßer Beobachtung den Fußgänger hätte sehen müssen.
Sehr wohl hat aber der Fußgänger auch vor der Überquerung eines Schutzweges die Verkehrslage sorgfältig zu prüfen und im Zweifel eher ungünstig zu beurteilen. Auch einem bevorrechteten Fußgänger ist es daher zuzumuten, nicht gleichsam blind den Schutzweg zu betreten. Für den Kläger war es gegenständlich erkennbar, dass das Beklagtenfahrzeug sich bereits in bedrohlicher Nähe befand. In Anbetracht der schlechten Sichtverhältnisse, Nässe und Dunkelheit durfte er auf das Gelingen eines Bremsmanövers auf nasser Fahrbahn nicht ohne weiteres vertrauen. Er hätte vielmehr die Verkehrslage im bedenklichen Sinn auslegen und von der Überquerung des Schutzweges Abstand nehmen müssen. Ihm ist daher ein Mitverschulden anzulasten. Insgesamt wurde eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3:1 zu Lasten des Beklagten vorgenommen.
Nähere Informationen: OGH 2 Ob 63/11w -
VERTRAGSSTRAFE - RÜCKVERRECHNUNG VON BEREITS GEWÄHRTEN RABATTEN IM INSOLVENZFALL
Ein Gläubiger hat nur teilweise Anspruch auf Nachverrechnung von bereits gewährten Rabatten, wenn über das Vermögen des Kunden das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Immer wieder gewähren Unternehmen ihren Großkunden spezielle Rabatte, welche weit unter dem Marktpreis eines Produkts liegen können. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dieser Unternehmen ist zumeist vorgesehen, dass für den Fall des Zahlungsverzuges oder der Insolvenz die Rabatte nachverrechnet werden können. In zwei wesentlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (5 Ob 37/74 und 8 Ob 93/08x), stellt dieser fest, dass derartige Nachverrechnungen nur zum Teil vorgenommen werden können.
In Weiterentwicklung der Ansicht des Oberste Gerichtshofes sind derartige Rabattrückverrechnungen nach der herrschenden Lehre als Vertragsstrafe zu sehen, die die Nachteile des Unternehmens ausgleichen soll, welche aus der Vertragsverletzung des schuldnerischen Unternehmens resultieren (Insolvenz, Zahlungsrückstand etc.). Der Gläubiger hat lediglich Anspruch auf den Betrag, welcher sich an der Höhe des wahrscheinlich eintretenden Schadens orientieren. Ansonsten sind solche Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das schuldnerische Unternehmen überraschend und gem. § 864 ABGB unwirksam. Da es sich um Vertragsstrafen handelt, besteht auch die Möglichkeit des gerichtlichen Mäßigungsrechtes nach § 1336 ABGB, sodass im Falle eines Prozesses das Gericht jedenfalls die Möglichkeit hat, die Höhe der Rabattrückverrechnung zu verringern und anzupassen.
Nähere Informationen: OGH 5 Ob 37/74, 8 Ob 93/08x -
UNTERHALTSANSPRUCH TROTZ ABGESCHLOSSENER AUSBILDUNG
In einem aktuellen Fall des Obersten Gerichtshofes (OGH) ging es um eine Schülerin, die nach Abschluss einer Höheren Bundeslehranstalt eine Zustatzausbildung machen wollte.
Die Schülerin absolvierte die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe und hat die Eignungsprüfung für die Bildungsanstalt für Sozialpädagogik (als zusätzlichen Ausbildungsweg) erfolgreich bestanden. Da der Lehrgang bereits überfüllt war, wurde ihr „nahe gelegt“ für die Zeit der Überbrückung ein „freiwilliges soziales Jahr“ zu absolvieren. Die Schülerin begehrte die gerichtliche Festsetzung des Unterhaltsbeitrages. Das Erstgericht, sowie das Rekursgericht wiesen das Begehren mit der Begründung ab, die Antragstellerin verfüge über eine abgeschlossene Schulausbildung und wäre ihr daher die Berufsausübung zumutbar. Die Selbsterhaltungsfähigkeit sei daher eingetreten.
Der OGH stellte in weiterer Folge jedoch fest, dass das Kind einen festbestehenden Unterhaltszuspruch hat, soferne es eine ernsthafte Neigung, besondere Eignung und ausreichenden Fleiß für eine zusätzliche Ausbildung aufweist, sowie wenn danach das berufliche Fortkommen des Kindes bedeutend verbessert wird, es für den Unterhaltsschuldner zumutbar ist. In diesem Fall wurde daher der Antragstellerin auch für das „freiwillige soziale Jahr“ der Unterhaltsanspruch unter Anrechnung des Eigeneinkommens zugesprochen.
Nähere Informationen: OGH 15.5.2012, 2 Ob 141/11s